Trierer Bischof Ackermann: Nulltoleranz beim Umgang mit Missbrauchstätern

Trier · Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat sich in einem offenen Brief an die 1,5 Millionen Katholiken in seinem Bistum gewandt und "gravierende Fehler" bei der Aufarbeitung eines Missbrauchsfalls eingeräumt.

 Bischof Stephan Ackermann. Foto: TV-Archiv/Friedemann Vetter

Bischof Stephan Ackermann. Foto: TV-Archiv/Friedemann Vetter

Trier. Die in der vergangenen Woche von mehreren katholischen Gruppierungen und Gläubigen geäußerte Kritik am Trierer Generalvikariat und dessen Oberhirten Stephan Ackermann scheint ihre Wirkung nicht zu verfehlen: Zwei Tage vor Heiligabend hat sich der kirchliche Missbrauchsbeauftragte gestern erstmals selbst öffentlich zu den jüngst bekanntgewordenen Missbrauchsfällen in seinem Bistum geäußert und offen schwere Versäumnisse eingestanden. Gleichzeitig sagt Ackermann zu, dass es für ihn "kein Abweichen von der Linie einer Nulltoleranz gegenüber den schändlichen Verbrechen sexueller Gewalt" geben werde.
Hintergrund des bischöflichen Entschuldigungsschreibens ist der Fall eines 70-jährigen Saarbrücker Priesters. Der Ruhestandsgeistliche soll sich in den 1990er Jahren an zwei minderjährigen Messdienerinnen vergangen haben - in einem der Fälle über einen Zeitraum von fast zehn Jahren. Als dieser Fall im Januar dem Bistum bekanntwurde, nahmen die Verantwortlichen zwar den Priester ins Gebet und brachten den weitgehend geständigen Mann auch dazu, sich selbst anzuzeigen. Allerdings wurde der Geistliche weder beurlaubt noch wurde die Öffentlichkeit informiert. Das geschah erst mit rund zehnmonatiger Verspätung. Inzwischen ist der Priester pensioniert worden; er war zuvor Opfer eines brutalen Raubüberfalls geworden und länger krankgeschrieben. Trotzdem nahm der Priester an Messen und sogar einer Kindergarten-Einweihung teil. "Unsere Kontroll- und Aufsichtsmechanismen haben nicht so gegriffen, wie sie hätten greifen müssen", räumt Ackermann in dem Schreiben ein. Zudem seien auch die in den Missbrauchsleitlinien formulierten Vorgaben "nicht konsequent umgesetzt" worden.
"Die Leitlinien lassen zu viel Spielraum", meint dagegen die geistliche Leiterin der katholischen Jugendorganisation KSJ, Jutta Lehnert. Die Koblenzer Pastoralreferentin war im Fall des Saarbrücker Missbrauchs priesters eine der Hauptkritikerinnen des Bischofs. "Es ist gut und richtig, dass er die Fehler eingeräumt hat", sagte die KSJ-Chefin gestern unserer Zeitung. Aber es sei zugleich bedauerlich, dass Ackermann dies erst auf öffentlichen Druck hin getan habe. "Liegt hier wirklich Einsicht vor?", fragt Jutta Lehnert.
Immerhin: Auf eine der Hauptforderungen seiner Kritiker geht der Trierer Bischof jetzt ein. Im Januar will Stephan Ackermann alle am Thema Missbrauch interessierten haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter zu einem Gespräch ins Generalvikariat einladen. Die Zusicherung des Bischofs: "Ich verspreche Ihnen, dass (…) ich alles daran setzen werde, aus den begangenen Fehlern zu lernen für einen noch angemesseneren Umgang mit den Opfern, aber auch den betroffenen Gemeinden."

Meinung


Respekt!
Von Damian Schwickerath

Manchmal sind auch scheinbar komplizierte Dinge so einfach. Da ist auf der einen Seite ein Bundespräsident, der seit einer Woche immer nur scheibchenweise erklären lässt, was er wann getan hat oder auch nicht, der mit der Wahrheit so sparsam umgeht wie die geizigen Schotten mit ihren Pennys. Der gestern erst einmal seinen Pressesprecher feuert und dann erst eine persönliche Erklärung abgibt.
Und da ist auf der anderen Seite der Trierer Bischof Stephan Ackermann, der in einem offenen Brief an die Katholiken im Bistum und an seine Mitarbeiter schlicht bekennt: Ja, ich habe Fehler gemacht, war nicht aufmerksam, nicht sensibel genug. Ja, wir sind auch nur Menschen, und deshalb werden wir auch in Zukunft Fehler machen. Aber wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, damit die Dinge ab jetzt besser laufen. Da wird niemand vorgeschickt, da wird kein Sündenbock gesucht, da übernimmt jemand persönlich Verantwortung.
Schadet dieses Eingeständnis eigener Versäumnisse der Würde eines Amtes oder der Autorität eines Amtsinhabers? Das Gegenteil ist der Fall! Es zeugt von der Fähigkeit zu eigener Einsicht, es zeugt von Stärke und Sensibilität, von der notwendigen Reife der jeweiligen Persönlichkeit. Kurz, davon, was Christian Wulff in dieser Affäre bis gestern so schmerzlich vermissen ließ.
d.schwickerath@volksfreund.de

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