Grüne und Rote kommen sich näher

Der Hochmoselübergang bei Zeltingen-Rachtig steht weiter auf der Kippe. Die SPD-Spitze und der Landesvorstand der Grünen haben sich bei ihrem zweiten Sondierungsgespräch zur Bildung einer Regierung darauf verständigt, dass die Bauarbeiten während der Koalitionsverhandlungen ruhen und keine neuen Aufträge vergeben werden.

Mainz. Im Gästehaus der Landesregierung auf einer Mainzer Anhöhe blickt man bei gutem Wetter weit in die Ferne. Ein idealer Ort zum perspektivischen Denken. Nach einem beiderseits als "sehr konstruktiv, tiefgehend und erfolgreich" beschriebenen Gespräch im kleinen Kreis lassen SPD und Grüne verlauten, man habe "in den grundsätzlichen Positionen große Übereinstimmung erzielt". Übersetzt heißt das: Eine Koalition beider Parteien rückt näher. Während Präsidium und Landesvorstand der Sozialdemokraten bereits am Montag nach der Landtagswahl einstimmig für die Aufnahme von Verhandlungen plädierten, haben die Grünen noch ein Gespräch mit der CDU geführt. Offenbar nur der Höflichkeit halber, denn nun stellen sie die Weichen für ein rot-grünes Bündnis. Der Landesvorstand empfiehlt Verhandlungen, der Parteirat soll sie am Samstag in Oppenheim beschließen.

Der derzeitige Stand der Dinge:

Die Atmosphäre: Beide Seiten bemühen sich intensiv, eine Ebene des Vertrauens zu schaffen. Über Details der Sondierungen lässt kein Beteiligter etwas nach außen dringen. Es wird streng auf zahlenmäßig gleichstarke Delegationen geachtet. Anfängliche Befürchtungen der Grünen, sie könnten von den regierungserfahrenen Sozialdemokraten übervorteilt werden, haben sich offenbar zerstreut. Dem Vernehmen nach wird auf Augenhöhe verhandelt. Dass Ministerpräsident Kurt Beck aber der Chef im Ring ist, wird klar deutlich. "Er kann ja schlecht 17 Jahre als Regierungschef verleugnen", sagt eine Sozialdemokratin.

Die Gemeinsamkeiten: Bei der Energieversorgung ist man sich einig: Spätestens bis 2030, am besten früher, soll sich das Land zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien versorgen. Auch die Rahmenbedingungen für eine sozial gerechte Gesellschaft, die Weiterentwicklung des Bildungsstandorts, eine nachhaltige Verkehrspolitik sowie die finanzielle Lage des Landes werden gleich bewertet.

Die Streitpunkte: Große Infra strukturprojekte wie der Hochmoselübergang, die Mittelrheinbrücke, der Nürburgring und der Flughafen Hahn bleiben strittig. Die Grünen begrüßen es, dass beim Hochmoselübergang "keine neuen Fakten geschaffen werden". Das unterstreiche "den Willen beider Parteien, die Verhandlungen auf der Basis des gegenseitigen Vertrauens fortzusetzen", teilen Vorstandssprecherin Eveline Lemke und Kurt Beck mit. Das Verkehrsministerium will laut einer Sprecherin die betroffenen Firmen bitten, eine Pause einzulegen - aber nur, wenn keine Schadenersatzforderungen kommen. Ob weitergebaut wird, entscheidet sich in den Verhandlungen. Die SPD betont, mit dem vorläufigen Stopp sei das Projekt keinesfalls beerdigt. Der Grüne Daniel Köbler zeigt sich "optimistisch, dass wir die Streitpunkte ausräumen können".

Der Fahrplan: Sofern der Parteirat der Grünen zustimmt, wovon auszugehen ist, steht ein Verhandlungsmarathon bevor. Er soll kommenden Montag beginnen und möglichst in der ersten Mai-Woche enden. Nach TV-Informationen hat man sich bereits auf acht bis neun Termine, teils ganztägig, verständigt. Läuft alles glatt, könnten die Ergebnisse und die Koalition am 7. Mai bei einem SPD-Parteitag und kurz darauf bei einem Grünen-Parteitag beschlossen werden. Unter Druck setzen will man sich nicht. "Wir können auch eine Woche später unseren Parteitag abhalten", heißt es vonseiten der SPD. Am 18. Mai muss alles geklärt sein, dann konstituiert sich der neue Landtag.

Die Verhandlungskommission: Bislang haben die Spitzen der Parteien die Lage sondiert - bei der SPD neben dem Landesvorsitzenden Kurt Beck die Stellvertreter Doris Ahnen, Hendrik Hering und Theresia Riedmaier sowie Staatskanzlei-Chef Martin Stadelmaier als Protokollant. Bei den Grünen saßen neben Eveline Lemke, Daniel Köbler und Britta Steck (Landesvorstand) noch Günter Beck, Bürgermeister und Finanzdezernent der Stadt Mainz, sowie der politische Referent Felix Schmitt als Protokollant mit am Tisch.

Diese kleine Runde soll erweitert werden auf zehn bis zwölf Politiker pro Partei. Bei der SPD werden zum Beispiel Finanzminister Carsten Kühl, Sozialministerin Malu Dreyer, Generalsekretärin Heike Raab und der Parteiratsvorsitzende Roger Lewentz hinzustoßen. Bei den Grünen voraussichtlich die Bundestagsabgeordneten Ulrike Höfken (Bitburg), Tabea Rößner und Josef Winkler sowie Ise Thomas, Ex-Fraktionschefin im Landtag, und Finanzexperte Ulrich Steinbach.

Vom Ausgang der Koalitionsverhandlungen und der Ministerien- und Postenverteilung wird letztlich auch abhängen, wer SPD-Fraktionschef wird. Amtsinhaber Jochen Hartloff möchte es bleiben, Wirtschaftsminister Hendrik es werden. Die zunächst für Dienstag vorgesehene Entscheidung wurde vertagt, "um die Luft rauszuholen und sich alle Optionen offenzuhalten", sagt ein führender Sozialdemokrat.

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