HWK-Prozess: Schlussstrich nach zehn Jahren

Koblenz/Trier · Das Koblenzer Landgericht ist überzeugt von der Schuld des Trierer Ex-Geschäftsführers und verhängt eine einjährige Bewährungsstrafe.

 Der Eingang zum Landgericht Koblenz, wo heute im HWK-Prozess das Urteil gesprochen werden soll. TV-Foto: Christiane Wolff

Der Eingang zum Landgericht Koblenz, wo heute im HWK-Prozess das Urteil gesprochen werden soll. TV-Foto: Christiane Wolff

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Es sind nur zwei Buchstaben, aber sie lassen keinen Zweifel zu: "i.O." steht in der Mail, die der Angeklagte A. 2003 der damaligen Leiterin des Trierer Europa- und Innovationscentre (EIC) geschickt hat. Der Angeklagte war damals Geschäftsführer des EIC - einer Tochter der Trierer Handwerkskammer - und dessen Leiterin an seine Weisungen gebunden.

Mit seinem "i.O." für "in Ordnung" habe A. sein Einverständnis zum Subventionsbetrug gegeben. Das mache die E-Mail "unmissverständlich deutlich", betonte Torsten Bonin, Richter am Landgericht Koblenz, am Mittwoch. Der Angeklagte sei nicht nur in diesem Fall einverstanden gewesen, mit den öffentlichen Fördergeldgebern von Handwerkskammer und EIC überhöhte und falsche Zuschüsse abzurechnen. Zwar könnten dem Angeklagten A. längst nicht alle Betrugsfälle, die die Staatsanwaltschaft ursprünglich angeklagt hatte, zweifelsfrei nachgewiesen werden. Was vor allem damit zusammenhänge, dass die Taten teilweise mehr als zehn Jahre zurückliegen und die Zeugen sich zum großen Teil nicht mehr an Details erinnern könnten. Aber in acht Fällen stehe fest, dass A. über den Betrug Bescheid wusste, ihn "gebilligt und gedeckt" habe, es gebe keinen Zweifel daran, dass A. "informiert und einverstanden" gewesen sei.

Die Staatsanwaltschaft hatte am Dienstag für Subventionsbetrug in elf Fällen eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten sowie eine Geldauflage von 10.000 Euro gefordert. Verteidiger Herbert Ahrend plädierte dagegen am Mittwoch auf Freispruch. Sein Mandant habe nichts von dem Subventionsbetrug gewusst. Die Staatsanwaltschaft habe die Ermittlungen fehlerhaft geführt. Zeugen, die seinen Mandanten gegenüber der Polizei und vor Gericht belastet hatten, warf der Trierer Rechtsanwalt "Falschaussagen" vor. Der Polizist, der die Ermittlungen damals leitete, habe bei den Vernehmungen Suggestivfragen gestellt und so die Zeugen zu belastenden Aussagen gedrängt. Auch die ehemalige EIC-Leiterin habe vor Gericht falsch ausgesagt und Zeugen dazu gedrängt, gegen seinen Mandanten auszusagen, behauptete Ahrend in seinem Schlussvortrag.

Auch der Angeklagte selbst betonte in seinem Schlusswort noch einmal, er sei unschuldig: "Ich habe keinerlei Anweisungen zum Subventionsbetrug gegeben und hätte diesen auch nicht akzeptiert." In seiner nüchternen Urteilsbegründung arbeitete Richter Bonin, Vorsitzender der für Wirtschaftskriminalität zuständigen vierten großen Strafkammer des Koblenzer Landgerichts, A.s Schuld jedoch sorgfältig heraus.

Die Belastung des Angeklagten durch die lange Prozessdauer von 42 Verhandlungstagen wirke sich allerdings mildernd auf das Strafmaß aus, betonte Bonin. Zudem habe der Angeklagte sich zu keiner Zeit durch den Betrug persönlich bereichern wollen. "Und gesagt werden muss auch, dass die Fördergeldgeber die Taten erleichtert haben, weil sie nur wenige oder gar keine Kontrollen über die Verwendung der Zuschüsse durchgeführt haben", analysierte Bonin.
Gegen das Urteil - ein Jahr auf Bewährung und eine Geldauflage von 2000 Euro - kann A. binnen einer Woche einen Antrag auf Revision stellen.Chronologie

Das Urteil ist das Ende einer Geschichte, die vor knapp zehn Jahren ihren Anfang nahm: November 2007: Unter der Überschrift "Luftrechnungen im Umweltzentrum der Handwerkskammer" berichtet der Trierische Volksfreund über gefälschte Abrechnungen. Die HWK-Spitze beteuert, nichts gewusst zu haben, gerät allerdings unter Druck und entlässt einen Abteilungsleiter und einen leitenden Mitarbeiter.Dezember 2007: Immer mehr Details des Betrugs kommen ans Tageslicht. Die HWK-Spitze räumt "systematischen Betrug" ein und zeigt vier Mitarbeiter an.Mai 2008: Die Staatsanwaltschaft durchsucht das HWK-Umweltzentrum und beschlagnahmt Hunderte Ordner. Juli 2008: Mehrere Fördergeldgeber frieren ihre Zuschüsse an die HWK ein, der Jahresüberschuss der Kammer schmilzt um eine halbe Million Euro auf 4000 Euro.September 2008: Die Staatsanwaltschaft eröffnet ein Ermittlungsverfahren gegen den damaligen HWK-Hauptgeschäftsführer K. und dessen Stellvertreter A. Oktober 2008: Der ehrenamtliche Kammer-Vorstand beurlaubt K. und A. und spricht den beiden ein Hausverbot aus. November 2013: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen den HWK-Hauptgeschäftsführer K., seinen Stellvertreter A., den ehemaligen Leiter des UWZ und den ehemaligen Kammer-Personalchef. Sie sollen gemeinsam Projektunterlagen gefälscht und so Zuschüsse in Höhe von 880.000 Euro zu Unrecht abgerechnet haben. Das Geld floss in die Kasse der HWK. März 2015: Die Leiterin des Trierer Europa- und Innovationscentre (EIC) und der von der Industrie- und Handelskammer entsandte EIC-Geschäftsführer P. werden wegen Subventionsbetrug bei Projektabrechnungen des Beratungszentrums verurteilt: Die EIC-Leiterin zu einer Geldstrafe von 21.600 Euro, Geschäftsführer P. zu einer 1,5-jährigen Haftstrafe auf Bewährung. Auch HWK-Geschäftsführer A. ist wegen Subventionsbetrugs am EIC angeklagt, das Verfahren gegen ihn wird allerdings mit den Betrugsvorwürfen rund um die Handwerkskammer zusammengelegt. September 2015: Der Handwerkskammer-Prozess vor dem Koblenzer Landgericht beginnt. Gegen den Ex-Personalchef der HWK stellt das Gericht das Verfahren kurze Zeit später gegen eine Geldauflage ein, sein Schuldanteil am Betrug sei gering, begründet die Staatsanwaltschaft. Juli 2016: Weil der ehemalige UWZ-Leiter B. dauerhaft krankgeschrieben und nicht verhandlungsfähig ist, stellt das Gericht auch gegen ihn das Verfahren ein - zumindest vorläufig. Januar 2017: Das Koblenzer Landgericht verurteilt den Ex-HWK-Hauptgeschäftsführer K. zu einer Geldstrafe von 27.000 Euro für die Unterschlagungen, die unter seiner Geschäftsführung an der Kammer stattgefunden haben. K. reicht einen Revisionsantrag ein, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs dazu steht noch aus. (woc) Extra

Für den am Mittwoch vom Koblenzer Landgericht verurteilten Ex-HWK-Geschäftsführer A. geht es demnächst vor dem Trierer Landgericht weiter: Das Europa- und Innovationscentre (EIC) hat A. wegen der Schäden, die dem Beratungszentrum durch den Subventionsbetrug unter dessen Geschäftsführung entstanden seien, auf Zahlung einer Entschädigung verklagt. "Der nächste Verhandlungstermin in dieser Sache ist allerdings noch nicht festgelegt", erklärt Matthias Meyer, Richter am Landgericht, auf TV-Nachfrage.

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