Rechtsextreme Gefahr: Parteien im Land diskutieren NPD-Verbot

Trier · Nach der vermutlich von Neonazis begangenen Mord- und Anschlagserie ist die Diskussion über ein Verbot der rechtsextremen NPD neu entbrannt. Der Mainzer Innenminister Roger Lewentz (SPD) ist für ein Verbotsverfahren. Grüne und CDU warnen vor einem Schnellschuss.

Noch ist unklar, für wie viele Verbrechen die rechtsextreme Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) verantwortlich ist. Neben der bislang bekannten Mordserie gegen neun in Deutschland lebende Ausländer und eine Polizistin sollen die ostdeutschen Neonazis mehrere Banküberfälle und Anschläge begangen haben, womöglich auch weitere Gewalttaten. Zwei mutmaßliche NSU-Mitglieder sind tot, sie haben sich laut Polizei selbst umgebracht, zwei weitere sitzen in Haft. Während die Ermittler noch mit der Aufklärung befasst sind, mehren sich auf politischer Seite die Forderungen nach einem neuerlichen NPD-Verbotsverfahren. Ein Grund: die vom Verfassungsschutz auch für Rheinland- Pfalz bescheinigte enge Vernetzung in der rechtsextremen Szene. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte gestern an, die Erfolgsaussichten für ein neues Verbotsverfahren prüfen zu lassen. Ein erster Anlauf von Rot-Grün war vor acht Jahren gescheitert, weil viele NPDler auch als Zuträger des Verfassungsschutzes (V-Leute) arbeiteten. Daran dürfte sich nicht viel geändert haben. Der Mainzer Innenminister Roger Lewentz (SPD) ist trotzdem für ein neues Verfahren. "Wenn nicht bei der NPD, wo sollen wir dieses Instrument der wehrhaften Demokratie dann überhaupt anwenden?", sagte Lewentz dem TV. "Die Forderung nach einem NPD-Verbot erfolgt in diesem Zusammenhang allzu reflexartig", meint dagegen Grünen- Fraktionschef Daniel Köbler. Erst wenn der Verfassungsschutz seine V-Leute aus der rechten Szene abziehe, könne ein Verfahren eingeleitet werden. Auch CDU-Landeschefin Julia Klöckner warnt vor einem Schnellschuss. Zunächst einmal müsse die Nazi-Mordserie vollständig aufgeklärt werden, bevor über ein mögliches Verbotsverfahren nachgedacht werde, sagte Klöckner dem TV. Der Chemnitzer Extremismusforscher Eckhard Jesse hält ein NPD-Verbot dagegen für kontraproduktiv: "Dadurch werden rechtsextreme Gewalttaten nicht ausgeschlossen, sondern eher gefördert."
Extra: Die Statements der Politiker

Innenminister Roger Lewentz (SPD): Rheinland-Pfalz hat diese Initiative immer befürwortet. Die Väter und Mütter unserer Verfassung haben aus gutem Grund zum Schutz unserer freiheitlichen Rechtsordnung bewusst und ausdrücklich die Möglichkeit des Verbots einer Partei festgeschrieben. Wir sollten uns also nicht scheuen, das Parteiverbot auch anzuwenden. Es wird zu Recht über die Risiken eines Verbotsverfahrens diskutiert. Ich blende diese Bedenken nicht aus. Aber wenn nicht bei der NPD, wo sonst sollen wir dieses Instrument der wehrhaften Demokratie dann überhaupt anwenden? Die Ideologie der NPD ist menschenverachtend, fremdenfeindlich, antisemitisch und antidemokratisch. Sie genießt aber den verfassungsrechtlichen Schutz einer zugelassenen Partei - etwa bei Veranstaltungen und Versammlungen - und erhält Geld vom Staat, Bürgergeld. Das nutzt sie, um ihre Rattenfängerei zu betreiben, vor allem unter jungen Menschen. Natürlich vertreibe ich mit einem Verbot nicht das wirre Denken aus den Köpfen dieser Menschen. Aber ich beschneide ihre Möglichkeiten, andere in den braunen Sumpf herabzuziehen. Ein Verbot würde der Partei diese Privilegien nehmen und die rechtsextreme Szene empfindlich schwächen.

CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner: Ich bin zutiefst bestürzt über die Nazi-Mordserie. Priorität muss jetzt die vollständige Aufklärung haben. Denn ein Nazi-Erstarken ist eine Schande und beschämend für Deutschland. Wir müssen aber Acht geben davor, die Antworten schon zu haben, bevor die richtigen Fragen gestellt wurden. Alte Versatzstücke und der reflexhafte Ruf nach einem NPD-Verbot oder der Ruf nach einem neuen "Abwehrzentrum" sind zu kurz gegriffen - das kann ein Ergebnis der Untersuchungen sein oder auch nicht. Schnelle Antworten sind jetzt unangebracht, Gründlichkeit geht vor. Wir müssen u.a. über Strukturen des Verfassungsschutzes, über die Mitteilungspflichten zwischen den Ebenen nachdenken. Ich teile die Position des innenpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, dass man mit einem NPD-Verbot keinen Schnellschuss machen sollte. Deshalb ist es richtig, dass die Integrationsstaatsministerin im Bundeskanzleramt, unser rheinland-pfälzisches CDU-Mitglied Maria Böhmer, für den 7. Dezember im Bundeskanzleramt ein Treffen mit Migranten zum Rechtsextremismus plant. Erster Tgesordnungspunkt wird deshalb das Thema der rassistisch motivierten Morde sein. Die bestehenden staatlichen Präventionsprogramme gegen Rechtsextremismus sind sinnvoll und was die Finanzmittel anbelangt ausreichend: Mit 24 Mio. € ist der Etat gegen Rechtsextremismus dieses Jahr fast 5 Mal so hoch wie der gegen Linksextremismus.

Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler: Die aktuellen Meldungen über die jahrzehntelange mordende rechtsradikale Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU)" sind erschütternd und werfen Fragen auf. Wir müssen uns die Frage stellen, wie diese Gruppe über einen derartig langen Zeitraum ihr kriminelles Verhalten vertuschen und ihren Menschenhass ausleben konnte.
Die Diskussion um ein neuerliches NPD-Verbotsverfahren lenkt vom Kern des Problems ab: Wir haben dieser Tage einmal mehr erfahren müssen, wie gefährlich menschenverachtend, ja menschenvernichtend, die Ideologie der Rechtsextremen in unserem Land auch zu konkreten Taten führt. Und wir müssen uns die Frage stellen, welche Rolle die Verfassungsschutzbehörden im Falle der NSU-Gruppe inne hatte. Die Behörden haben offenkundig bestenfalls schwerwiegende Fehler gemacht. Ob es gar zutrifft, dass die mörderische NSU von staatlichen Behörden gedeckt oder gar unterstützt wurde muss schnell und umfassend aufgeklärt werden!
Erste Priorität hat für uns rechtsradikales Gedankengut an der Wurzel zu packen und ein gesellschaftliches Klima von Toleranz zu erzeugen, sodass solche Gruppen nicht erstehen, geächtet und schneller gestoppt werden. Dafür müssen Projekte gegen Rechts gestärkt und nicht gedemütigt werden, wie es die Bundesregierung mit Hilfe der so genannten "Demokratieerklärung" tut.
Die Forderung nach einem NPD-Verbot erfolgt in diesem Zusammenhang allzu reflexartig. Ein neuerliches NDP-Verbotsverfahren darf nicht scheitern! Daher ist es unerlässlich zunächst die Strukturen und Arbeitsweisen des Verfassungsschutzes zu überprüfen. Fakt ist, dass ein NPD-Verbot nur erfolgen kann, wenn der Verfassungsschutz ernsthaft V-Männer und -Frauen aus der rechten Szene abzieht

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