Altenpfleger verzweifelt gesucht

Trier/Bitburg/Wittlich · Künftig werden immer mehr Menschen alt, allein und auf Hilfe angewiesen sein. Wer sich um sie kümmern soll, steht in den Sternen. Denn schon jetzt haben Heime und Pflegedienste große Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden.

Trier/Bitburg/Wittlich. Stellen wir uns vor, die 85-jährige Maria Schmitz lebt zu Hause. Ganz alleine. In ihrer viel zu großen Wohnung auf dem Dorf. Das geht, denn beim Waschen und Anziehen und auch mit den vielen Tabletten hilft ihr ja die Frau vom Pflegedienst. Auf die freut sie sich schon den ganzen Tag.
Zukunft der Pflege - Pflege der Zukunft


Es passiert ja sonst nichts. Die Kinder wohnen weit weg. Und außer der Altenpflegerin kommt kaum mal jemand vorbei. Nur dass die in letzter Zeit immer so gehetzt ist. Und kaum noch Zeit hat für einen Schwatz. Und neulich sagte, dass sie nicht weiß, wie lange sie den Stress noch aushält.
Diese Situation ist frei erfunden und doch realistisch. Gibt es doch immer mehr alleinstehende Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind - und viel zu wenige Pflegekräfte. Egal, ob man rings um Trier nun in Pflegeheimen anfragt oder bei ambulanten Diensten, die Kernaussage ist immer die gleiche: Schon jetzt fehlt Fachpersonal. Und in Zukunft - da sind sich die Statistiker und Branchenkenner einig - wird die Altenpflege zu einem Problemfeld werden. "Die wenigen jungen Fachkräfte, die wir haben, wandern nach Luxemburg ab, und es kommen kaum neue nach", sagt Brunhilde Hell vom DRK-Pflegedienst im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Sie würde sofort zwei ausgebildete Pfleger einstellen. Doch das sei ein ganz schwieriges Unterfangen. Denn mit den Gehältern jenseits der luxemburgischen Grenze (siehe Extra) kann Deutschland einfach nicht mithalten. "Da ist die Politik gefordert", sagt Hell, die fürchtet, künftig immer öfter Patienten ablehnen zu müssen. "Bei der Qualität können wir keine Abstriche machen", sagt auch der Pflegedienstleiter eines privaten Heims in der Nähe von Trier. Wenn die Zahl der Mitarbeiter sinke, dürfe man auch weniger Bewohner versorgen. Denn je nach Pflegestufe ist eine bestimmte Zahl an Mitarbeitern pro Bewohner vorgeschrieben. Dass ausgebildete Altenpfleger fehlen, kann das Heim derzeit noch damit ausgleichen, dass es zum Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde mehr ungelernte Kräfte einstellt.
Dass dies bei manchem zu dem Eindruck führt: Wer sonst nichts findet, geht in die Altenpflege, schade dem Image des Berufs, sagt Frank Marx, Leiter des Mutter-Rosa-Altenzentrums in Trier. Ein Image, das ohnehin unter dem Klischee leide, dass der Altenpfleger derjenige sei, der den Hintern abputzt.
Die Begeisterung 16-Jähriger für diesen Beruf hält sich daher in Grenzen. Ebenso wie die Zahl und Qualität der Bewerber. "Ich bekomme viele schlechte Zeugnisse zu sehen", sagt der Heimleiter. Ungünstig angesichts der Tatsache, dass der Beruf nicht nur wegen der medizinischen Aufgaben hohe Ansprüche an die schriftliche Dokumentation stellt. Aus dem gleichen Grund sei es auch schwierig, ausländische Arbeitssuchende zu integrieren.
Das Altenzentrum begegnet dem Problem, indem es viele Praktikanten und junge Freiwillige anlernt. "Viele entscheiden sich dann doch für den Beruf", sagt Marx. Denn entgegen aller Vorurteile sei der sowohl anspruchsvoll als auch schön. Man brauche eine hohe menschliche Kompetenz. Man lache viel. Man lebe ein bisschen zusammen. "Die Bewohner geben einem viel zurück", sagt Marx. Aus Dankbarkeit für die Hilfe. Oder aus Freude über einen kleinen Schwatz. Wo die Kinder doch so weit weg sind. Und auch sonst nicht viel passiert.Extra

In einem Branchenmonitoring der Gesundheitsfachberufe hat das Land 2011 Angebot und Nachfrage in der Altenpflege ermittelt. Die Untersuchung führte zu einem alarmierenden Ergebnis: Nur in sehr wenigen Kreisen des Landes kann die Nachfrage gedeckt werden. Zu diesen Kreisen zählt der Vulkaneifelkreis. Meist ist die Nachfrage deutlich höher als das Angebot: 2010 fehlten im Kreis Bernkastel-Wittlich 73 Altenpfleger, im Kreis Trier-Saarburg 40, im Eifelkreis Bitburg-Prüm 24 und in Trier 20. Seitdem scheint die Lage sich allerdings weiter verschlechtert zu haben. "Spitzenreiter" der Statistik waren Mainz und Neuwied, wo jeweils mehr als 80 Pfleger fehlten. kahExtra

Die Gehälter in Deutschland und Luxemburg lassen sich nur grob vergleichen, da Steuern und Abgaben sehr unterschiedlich sind, Zuschläge eine Rolle spielen und bei der Einstufung Qualifikation und Erfahrung unterschiedlich bewertet werden. So viel lässt sich sagen: Eine Durchschnittskraft in Luxemburg kann damit rechnen, monatlich netto zwischen 2500 und 2800 Euro mit nach Hause zu bringen. In Deutschland bewegt sich der Brutto-Lohn bei 2000 bis 2500 Euro - vorausgesetzt, es wird tariflich bezahlt. Der gesetzliche Mindestlohn liegt in Westdeutschland bei 8,50 Euro, in Luxemburg bei 12 Euro pro Stunde. DiL

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