Im betreuten Café auf Zeitreise

Trier · Auch Menschen, die nur wenig Unterstützung brauchen, können sich von der Pflegeversicherung monatlich 125 Euro für Alltagshilfen erstatten lassen. Wie ein solches Angebot aussehen kann, zeigt ein besonderes Beispiel aus Trier.

Kuchen gibt es im Café Zeitreise fast an jedem Mittwoch. Geburtstagsständchen werden aber nicht so häufig dazu gesungen. "Ich werde heute 91", sagt Hildegard Kunkel gut gelaunt. "Hoffentlich feiern wir hier auch noch meinen 100."

Die betagten Herrschaften - es sind überwiegend Damen, die an diesem Nachmittag am nachösterlich gedeckten Tisch im Stadtteiltreff Mariahof sitzen - quittieren das mit zustimmendem Lachen. Sie fühlen sich wohl hier in der betreuten Gemeinschaft, die von ehrenamtlichen Helferinnen in Absprache mit dem Demenzzentrum Trier ermöglicht wird. "Das Café Zeitreise gibt es seit zwei Jahren", erläutert Eva Hirschmann. "Wir verbringen mit unseren Gästen einmal in der Woche den Nachmittag, spielen zusammen und essen gemeinsam. Willkommen sind alle Senioren. Wenn sie eine Pflegestufe haben, ist das Angebot für sie kostenlos."

Dass nur wenige der Gäste an einer Demenzerkrankung leiden und entsprechende Vorbehalte unnötig sind, wird in ihren Gesprächen ebenso deutlich wie bei den Tuch- und Ballspielen, an denen alle Teilnehmer sichtlich und hörbar Spaß haben.
Auch Hildegard Heinz ist mit Energie dabei, wenn es im Stuhlkreis darum geht, sich gegenseitig den mit einem lachenden Gesicht bemalten Luftballon zuzuspielen. "Mir gefällt alles hier", freut sich die 77-Jährige. "Auf die Bewegung und die Spiele freue ich mich immer die ganze Woche."

Für Heike Amidon vom Pflegestützpunkt Trier ist das Angebot in Mariahof ein Musterbeispiel dafür, wofür die monatlich 125 Euro verwendet werden können, auf die jeder Mensch einen Anspruch hat, der Leistungen aus der Pflegeversicherung erhält. "Das Geld ist an Alltagshilfen und Angebote wie dieses Café gebunden. Auch Menschen, die nur wenig Unterstützung brauchen, können sich seit diesem Jahr die Kosten dafür erstatten lassen. Weil viele das aber nicht wissen, nehmen sie diese Leistung nicht in Anspruch."

Mit dem seit Januar geltenden Pflegestärkungsgesetz seien die Leistungen für viele Senioren verbessert worden, weiß Pflegeberaterin Amidon, die wie alle ihre Kolleginnen und Kollegen in Pflegestützpunkten die Menschen unabhängig und kostenlos berät. "Die ganze Palette der Hilfe kennen viele nicht." Deshalb sei die qualifizierte Beratung noch wichtiger als früher.

So hat auch die Tochter von Geburtstagskind Hildegard Kunkel von dem Angebot im Stadtteiltreff Mariahof erfahren. "Wir entlasten mit unserem Angebot auch die Angehörigen für einige Stunden", erläutert Eva Hirschmann.
Wenn die derzeit bis zu neun Gäste im Café Zeitreise kurzweilige Stunden verbringen, sind in der Regel vier ehrenamtliche Helferinnen dort. Monika Williè ist eine von ihnen. Sie berichtet von Veränderungen seit der Eröffnung vor zwei Jahren: "Am Anfang war es noch möglich, dass alle an einem Bewegungs- oder Ratespiel teilnehmen.

Inzwischen müssen wir uns intensiver um einzelne unserer Gäste kümmern. Dabei wechseln wir uns auch ab." So sind an diesem Tag auch Marlene Bonertz und Irma May dabei, um den betagten Herrschaften zu helfen. Die beiden Damen vom Stadtteiltreff engagieren sich auch an den anderen Tagen der Woche, wenn dort zum Beispiel zum Senioren- oder Flüchtlingscafé, zum Gedächtnistraining, der gemeinsamen Spazierstunde oder der "Opa- und Oma-Stunde" eingeladen wird.

Irma May hatte auch die Idee für den Namen Café Zeitreise. "Das trifft viel mehr den Kern als der Begriff Demenzcafé, der so auch nicht stimmt. Denn nur einer unserer Gäste ist tatsächlich an Demenz erkrankt."
Geburtstagskind Hildegard Kunkel sind solche Vorbehalte fremd. "Mir hat es hier sofort gefallen", sagt die humorvolle Seniorin. "Deshalb komme ich regelmäßig. Dann setze ich mich in meinen Rollstuhl und lasse mich von meiner Tochter hierher fahren. Schließlich habe ich sie früher auch ständig durch die Welt kutschiert."

Informationen zum Café Zeitreise gibt es beim Demenzzentrum Trier unter Telefon 0651/4604747.
125 Euro monatlich für Alltagshilfen

Der neue Pflegegrad 1 gilt für Menschen, die nur wenig Unterstützung brauchen, zum Beispiel bei der Haushaltsführung oder beim Verlassen der Wohnung. Bisher hatten sie keinen Anspruch auf Pflgegeleistungen. Die bis zu 125 Euro monatlich gibt es allerdings nicht pauschal, sondern nur als Erstattungsleistung. Auch der Besuch von betreuten Angeboten wie das Café Zeitreise in Trier bleiben so kostenfrei.
Wer in einer Einrichtung für ältere, pflegebedürftige Menschen wohnt, erhält das Geld als Zuschuss.
Interview: "Wir beraten unabhängig und kostenfrei"


Jeder Mensch in Rheinland-Pfalz hat Anspruch auf eine kostenlose Pflegeberatung. Der Trierische Volksfreund hat darüber mit Heike Amidon gesprochen.

Frau Amidon, warum ist eine Pflegeberatung wichtig?
Heike Amidon: Viele unserer Klienten sind 80 bis 90 Jahre alt.
Das ganze Paket der Hilfe können weder sie noch ihre Angehörigen in der Regel überblicken. Zudem ist die Veränderungsbereitschaft im Alter oft nicht sehr groß. Ohne Bezugsperson ist das schwierig, wir machen deshalb auch oft Hausbesuche.

Aber es gibt doch jede Menge Wohlfahrtsverbände und private Pflegedienste, die Auskunft geben?
Amidon: Die 135 Pflegestützpunkte in Rheinland-Pfalz beraten gesetzlich Versicherte aber unabhängig und kostenfrei. Für Privatversicherte ist der Pflegekompass zuständig, für Menschen, die nicht mehr selbst entscheiden können, ist es der Betreuungsverein.

Vor allem Menschen mit Demenzerkrankungen werden durch die Reform der Pflegeversicherung besser gestellt. Was hat sich noch wesentlich geändert?
Amidon: Es gibt viele Menschen, die nur wenig Unterstützung benötigen, um weiterhin zu Hause Leben zu können. Die erhalten nun auch Leistungen. In Zukunft wird die ehrenamtliche Hilfe, zum Beispiel durch Nachbarn, dennoch wichtiger.

Um Leistungen zu bekommen, müssen die Menschen einen Test durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen durchlaufen. Gibt es dafür Tipps?
Amidon: Ohne Vorbereitung darauf wissen die Leute nicht, worum es wirklich geht. Wir von den Pflegestützpunkten bereiten auf die Begutachtung vor. Letztlich geht es um die Frage, wie selbstständig die Menschen sind. Grundsätzlich sollte aber jeder, der professionelle Hilfe in Anspruch nehmen will, auf einem Kostenvoranschlag bestehen, um zu sehen, wie viel vom Pflegegeld benötigt wird.

www.pflegestuetzpunkte.rlp.de

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