Etwas Wehmut, ein bisschen Wut

Mainz · In fünf Wochen tritt Ministerpräsident Kurt Beck von der politischen Bühne ab. So ganz realisiert der SPD-Politiker das noch nicht, aber auf seine Nachfolgeregelung und die künftige Regierungschefin Malu Dreyer ist er stolz.

Mainz. Die letzte Ehrung, der letzte Empfang, das letzte Jahresessen mit Journalisten: Das meiste von dem, was Ministerpräsident Kurt Beck in diesen Tagen tut, wird er nie wieder tun. So richtig begreift der 63-Jährige das selbst noch nicht. Verständlich bei all den Ritualen, an die er sich in den vergangenen drei Jahrzehnten gewöhnt hat. Vieles hat der Pfälzer gemocht, vieles eher widerstrebend hinter sich gebracht. Der Umgang mit Journalisten zählt wohl eher zur letzteren Kategorie. Während er als "Aktenfresser" jede Zeile von Dokumenten und politische Abläufe bis ins Detail kennt, unterstellt er den Berichterstattern manche Unkenntnis. Und so kommt es, dass sich Beck am Dienstag dieser Woche im Mainzer Gästehaus der Landesregierung echauffiert und einen Radioreporter angeht, als der ihm kritische Vorgänge wie die "Schlosshotel-Affäre" in seiner Heimatstadt Bad Bergzabern unter die Nase reibt.
Grundsätzlich wirkt der scheidende Regierungschef, der Rheinland-Pfalz geprägt hat wie kein Zweiter, aufgeräumt.
Im Sommer, sinniert Beck in der kürzesten Rede seiner Amtszeit, habe er noch keinen Gedanken ans Aufhören verschwendet.
Dann sei in ihm die Erkenntnis gereift, dass die Gesundheit das Weitermachen nicht mehr zulässt. Enge SPD-Vertraute werden ihn mit Sicherheit darin bestärkt haben.
Wie Beck seine Nachfolge geregelt hat, erfüllt ihn sichtlich mit Stolz. Er weiß natürlich, dass die künftige Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die sich am 16. Januar im Landtag zur Wahl stellt, bundesweit in den Medien als optimale Lösung fast schon gepriesen wird. "Ich bin sehr zufrieden, es hat gut geklappt", sagt er. Er habe sich in der Pflicht gefühlt, politisch keine Brüche entstehen zu lassen. "Das war mir schon ein Anliegen, das freut mich." Der gelernte Elektromechaniker hat sich seit 1979 mit harter Arbeit und großem Pflichtbewusstsein zu einem Polit-Profi entwickelt, der sich in fast allen Themenfeldern auskennt oder zumindest etwas Handfestes dazu zu sagen hat. Die Opel-Malaise in Bochum, die Schwierigkeiten der Zeitungsbranche, die Strukturen der öffentlich-rechtlichen Sender - Beck weiß Bescheid. Als Politiker tritt er ab, aber als Verwaltungsratschef des ZDF macht er noch ein Weilchen weiter.
Kurz vor Weihnachten dürfte es zu seinem Seelenfrieden beitragen, dass er den leidigen Nürburgring erst im Januar für sich abschließen muss. Seine zunächst für kommende Woche geplante Zeugenvernehmung ist vom Landgericht Koblenz ins neue Jahr verschoben worden.
Sorgen macht sich Kurt Beck diesbezüglich keine. Sagt er jedenfalls. Und doch merkt jeder, dass ihn diese nicht beendete Baustelle, für die er immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist, innerlich wurmt.
Kurt Beck wird den Nürburgring mit in den Ruhestand nehmen, genau wie das von ihm selbst eingeräumte Scheitern als SPD-Bundesvorsitzender 2008. Beides hat seinen Ruf mächtig ramponiert. Und doch ist er der Einzige, der im einstigen Land der Reben und Rüben als "König" tituliert wird.

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