"50 Jahre gingen schnell vorbei"

AACH. Zentrale Supermärkte und mobile Händler machen heute kleinen Einzelhändlern auf dem Lande das Leben schwer. Doch die Kauffrau Mathilde Sonnen aus Aach konnte dieser Konkurrenz bisher die Stirn bieten.

Wer das kleine Geschäft an der Trierer Straße betritt, fühlt sich in die 50er- und die frühen 60er-Jahre zurückversetzt. Auf engstem Raum findet sich ein volles Warensortiment: Süßigkeiten, Konserven, Zigaretten, Zeitschriften, Reinigungsmittel und Haushaltswaren. In der hinteren Ecke liegen auch Kleintextilien im Regal, und am anderen Ende des Ladens steht die Frischtheke mit Wurst, Käse und Backwaren. Beim Eintreten hat die automatische Türklingel geläutet - das Zeichen für die Inhaberin im weißen Kaufmannskittel, vom Wohnzimmer nach vorne ins Geschäft zu wechseln. Dort nimmt sie hinter ihrer kleinen Theke Aufstellung und fragt freundlich nach dem Begehr. Der Bitte des Besuchers, doch einmal aus ihrem langem Erfahrungsschatz als Einzelhändlerin zu erzählen, kommt die 77-Jährige gerne nach. Dabei muss sie weit ausholen - bis zurück zum 6. März 1954. Zusammen mit ihrer Mutter eröffnete sie an diesem Tag das Geschäft an der Trierer Straße - mit dem damals noch bescheidenen Lebensmittelsortiment und mit Kleintextilien, während sich ihr Mann um seine Landwirtschaft kümmerte. Es sei noch eine schwere Zeit gewesen damals, sagt Mathilde Sonnen. Aber trotzdem - die Vollmotorisierung und die Konkurrenz der Großmärkte lagen 1954 noch in weiter Ferne. Und fast in jedem Dorf gab es Einkaufsmöglichkeiten - was heute keine Selbstverständlichkeit mehr ist, sondern die Ausnahme. "Da war damals sogar noch ein zweiter Gemischtwarenhandel im Ort, und später kam noch eine Bäckerei dazu", erinnert sie sich, während eine Kundin den Laden betritt und nach Brötchen und Zigaretten fragt.Konkurrenten im Ort sind verschwunden

Heute sind diese "Konkurrenten" verschwunden. Ebenso die kleine Postfiliale, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft ihres Geschäfts befand. In den Räumen unterrichtet heute eine Fahrschule ihre Führerscheinaspiranten. Längst vergessene Namen tauchen auf, wenn Mathilde Sonnen die Jahrzehnte Revue passieren lässt. Etwa der von der Lebensmittelgroßhandlung Schumacher in Wittlich, die früher im Geschäftsleben der Kauffrau eine zentrale Rolle spielte - als Hauptlieferant und als Ort der Kommunikation. Sonnen: "Einmal im Jahr veranstaltete Schumacher eine Ausstellung mit den Neuheiten. Da sind alle Schumacherkunden aus der ganzen Region nach Wittlich gereist. Das war immer das große Zusammentreffen mit den Kollegen." Die Firma Schumacher ist in Wittlich nur noch Geschichte, ihr ehemaliges Firmengelände in der Innenstadt wird als Parkplatz genutzt. Doch Mathilde Sommers Geschäft existiert noch. "Viele sind schon weg", sagt die 77-Jährige, nach ihrem Kundenkreis befragt "aber solange es die Gesundheit zulässt, mache ich weiter. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, ohne den Laden zu leben." Ihre beiden Söhne hatten an dem kleinen Geschäft kein Interesse. "Die haben sich beide in einer anderen Sparte selbstständig gemacht", sagt die Mutter stolz.

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