Abriss-Ärger: Richter rügt Behörde

Trier/Saarburg · Klare Worte im Rechtsstreit um das Bauprojekt am Saarburger Kunohof: Ein Richter des Landgerichts Trier kritisiert, dass die Kreisverwaltung Trier-Saarburg den Weiterbau immer wieder erlaubt hat, obwohl das Nachbarhaus laut Gutachten einsturzgefährdet ist. Er rät den Streitparteien, einen Vergleich zu vereinbaren, statt jahrelang gegeneinander zu prozessieren.

Abriss-Ärger: Richter rügt Behörde
Foto: (h_ko )

Trier/Saarburg. Zwölf Uhr mittags: Im Sitzungssaal 60 des Landgerichts Trier treffen zwar nicht Gary Cooper (als Marshal) und Ian Mac Donald (als Bösewicht) wie in dem Westernklassiker "High Noon" aufeinander. Trotzdem ist das Knistern zwischen den Parteien zu spüren, als sie vor dem Tisch von Richter Helmut Feit Platz nehmen. Es geht um die Frage, wer für die Schäden am Haus Kunohof 11 in der Saarburger Innenstadt haftet und wie es zu sichern ist.

Die Vorgeschichte: Der Saarburger Gastronom Thomas Bier erwarb vor einigen Jahren im Zuge einer Zwangsversteigerung die Nachbargrundstücke 13 und 15. Gemeinsam mit seinem Bruder Daniel Bier, Geschäftsführer des in Luxemburg registrierten Unternehmens Bier S.a.r.l. (die französische Abkürzung steht für GmbH), wollte er dort mehrere Eigentumswohnungen errichten.
Beim Versuch, die zwei Häuser wie genehmigt teilweise abzureißen, kollabierten die beiden Gebäude vor 16 Monaten jedoch komplett. Dabei wurde das Nachbarhaus stark beschädigt (der TV berichtete mehrfach). Daraufhin platzte ein bereits beurkundeter Verkauf dieses Hauses.
Der Geschädigte klagt vor dem Landgericht Trier gegen die Biers auf Schadenersatz. Der Kläger lebt in einem Seniorenzentrum und ist dement, wird aber von seinem Sohn gesetzlich betreut. Mit Hilfe des Verkaufserlöses aus dem geplatzten Vertrag hätten Schulden in fünfstelliger Höhe gegenüber den Sozialversicherungsträgern gezahlt werden sollen.

Die Verhandlung: Schnell ist klar, dass die Beklagten nach Ansicht des Gerichts für den Schaden dem Grunde nach haften müssen. Feit macht deutlich, dass laut dem ihm vorliegenden Gutachten die Standsicherheit des beschädigten Hauses bislang nicht wiederhergestellt ist. Er wundert sich darüber, dass die Kreisverwaltung Trier-Saarburg die zunächst verfügte Baueinstellung jüngst wieder aufgehoben hat. Ironisch spricht er von einem "Glanzstück der Verwaltung" - vor allem mit Blick darauf, dass der Behörde als Grundlage für diese Entscheidung ein Zweizeiler des mit dem Bau beauftragten Unternehmers an den Bauherrn genügte, in dem dieser bestätigt, "dass die errichtete Betonwand am Bauvorhaben Kunohof keinerlei statische Verbindung zum Bestand des Nachbarn" habe.
Laut Feit hat die Kreisverwaltung nicht beurteilt, ob das Haus Kunohof 11 wieder standsicher ist (siehe Extra). Das sei aber der Knackpunkt, auf den sich das Gericht bei seinen Entscheidungen stützen werde: "Als Schädiger haften Sie für die Standsicherheit des Hauses Kunohof 11", sagt Feit in Richtung der Familie Bier.
"Ob sie hergestellt ist, oder wie sie herzustellen ist, darüber können Sie sich noch jahrelang vor Gericht streiten." Am einfachsten sei das Problem für Familie Bier zu lösen, wenn sich die Parteien im Rahmen eines Vergleichs verständigen würden.

Der Vorschlag des Gerichts: Familie Bier kauft das geschädigte Nachbarhaus für 57 000 Euro und kommt für den Schaden auf, insbesondere für die Rückabwicklungskosten des notariellen Kaufvertrags und die Anwalts- und Gutachterkosten. Die Klägerseite betont, dass das Betreuungsgericht einen Vergleich nur dann genehmigt, wenn der Kläger am Ende genauso dasteht, wie er nach Abwicklung des ursprünglichen Kaufvertrags dagestanden hätte.
Die Beklagtenseite sieht noch Verhandlungsbedarf, weil sie nicht auf den gesamten Schadenersatzansprüchen alleine sitzen bleiben möchte. Das Gericht hat die Verhandlung unterbrochen und die Parteien angemahnt, binnen sieben Tagen einen Vergleich aufzusetzen.Extra

Die rechtliche Beurteilung eines gleichgelagerten Sachverhalts durch Zivilgerichte und Verwaltungen kann unterschiedlich ausfallen. Grund hierfür ist, dass öffentlich-rechtliche Gesetze gegebenenfalls einen anderen Regelungsschutz betreffen als zivilrechtliche Normen. Im öffentlichen Recht geht es in der Regel um die Beziehung des Bürgers zum Staat, während es im Privatrecht um die Beziehung der Menschen untereinander geht. itz

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