Ambulante Hilfe statt Heimeinweisung

Immer mehr Eltern kommen aus den verschiedensten Gründen mit der Erziehung ihrer Kinder nicht mehr zurecht. Nun liegen erstmals Zahlen für Rheinland-Pfalz und Trier vor, wie oft "erzieherische Hilfen" in Anspruch genommen wurden.

Trier. (BP) Von der Tagesbetreuung über Gruppenangebote bis zur Heimeinweisung oder die Unterbringung in einer Pflegefamilie reicht das Spektrum der sogenannten "erzieherischen Hilfen". Und immer öfter wird das Jugendamt eingeschaltet, wenn Fälle von Kindesmisshandlung oder Vernachlässigung auftauchen - das ist in Trier nicht anders als im Rest der Republik.

Wie viele Fälle die Jugendämter bearbeiten, wurde auf Landesebene nun erstmals detailliert analysiert - in einer Studie der Jahre 2003 bis 2007. Heinz Müller vom Institut für sozialpädagogische Forschung Mainz stellte die Ergebnisse für Trier im Jugendhilfe-Ausschuss vor - und bescheinigte der Stadt und den freien Jugendhilfe-Trägern eine gute Arbeit.

Dennoch sorgen viele Zahlen für Besorgnis: Immer mehr Familien und Kinder leben in Armut, die klassischen Familienbilder sind auf dem absteigenden Ast, viele Kinder leben von Sozialhilfe, und die Arbeit für die Jugendämter hat drastisch zugenommen, obwohl es weniger Kinder gibt.

Auf 1000 Kinder und Jugendliche in Trier kamen im Jahr 2007 47 Fälle, in denen das Jugendamt erzieherische Maßnahmen übernahm; damit hat Trier die zweitmeisten Fälle im Landesvergleich. Insgesamt wurden in Rheinland-Pfalz im Vorjahr 24 000 Fälle von erzieherischen Hilfen in Anspruch genommen, Tendenz rapide steigend.

In Trier lebt jedes fünfte Kind von Sozialgeld



Die Gründe für Trier: 93 von 1000 Erwerbsfähigen waren 2007 ohne Job, dies ist deutlich unter Landesdurchschnitt. Allerdings lebt in Trier jedes fünfte Kind von Sozialgeld, das ist sieben Prozent über dem Durchschnitt. 31 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Trier werden von nur einem Elternteil erzogen, was ein weiterer Grund für familiäre Armut und auch Probleme ist.

Der demografische Wandel ist für die erzieherischen Hilfen noch kein Kriterium: In Trier nahm die Zahl der Unter-18-Jährigen seit 2003 nur um 1,5 Prozent ab, die Zahl der Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren - die "Hauptzielgruppe der erzieherischen Maßnahmen" - nahm jedoch sogar zu. "Ziel der erzieherischen Maßnahmen ist, die Kinder und Jugendlichen nicht aus ihrer Familie zu reißen, sondern sie ambulant zu betreuen. Und in diesem Punkt ist Trier spitze unter den Städten im Land", sagte Müller.

Ambulante Hilfe und die Betreuung in Tagesgruppen machen in Trier zusammen 54 Prozent aller Hilfen aus, nur 20 Prozent der Fälle wurden in 2007 in Heime eingeliefert, 25 Prozent wurden in Pflegefamilien betreut. Die durchschnittliche Dauer der Hilfen liegt in Trier bei 15 Monaten, die Kosten pro Minderjährigen (nicht pro Fall!) liegen in Trier bei 455 Euro, was im Landesvergleich ein guter Wert ist.

Insgesamt wurden 2007 landesweit 255 Millionen Euro für erzieherische Hilfen ausgegeben. "Trier hat viele Fälle, aber nur durchschnittliche Ausgaben", sagte Heinz Müller, "ein Problem ist allerdings das fehlende Personal", sagte Müller. Nur 0,85 Stellen pro 1000 Kinder und Jugendliche gibt es in Trier; der zuständige Dezernent Georg Bernarding versprach allerdings Besserung.

Seit dem "Fall Kevin" gibt es eine rasant steigende Zahl von Meldungen von Kindesmisshandlungen und Vernachlässigung bei den Jugendämtern (landesweit plus elf Prozent), was laut Heinz Müller vor allem an der gestiegenen Sensibilität liegt.

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