Auf der Suche nach einem Lebensgefühl

"Alles Gute kommt wieder", lautet ein Sprichwort, das in dieser Zeit gerade in der Musik seine Gültigkeit zu beweisen scheint. Mit einer fulminanten Rückkehr zur Melodie überspült die aktuelle Swing- und Jazz-Welle die Welt der Elektromusik. Dass auch Boogie-Woogie gerade unter jüngeren Hörern wieder salonfähig wird, bewiesen der holländische Pianist Eeco Rijken Rapp und sein deutscher Schlagzeuger David Herzel bei "Jazz im Gewächshaus" in Saarburg.

Saarburg. (kbb) Wenn man genau überlegt, ist Boogie-Woogie vielleicht die beste Musikrichtung, welche die westliche Kultur jemals hervorgebracht hat. Auf der Suche nach einem aus Leichtigkeit und purer Freude bestehenden Lebensgefühl ist der klassische Boogie weder zu seicht, noch zu intellektuell. Die Suche nach einem tieferen Sinn entfällt - und das, ohne dass der anspruchsvolle Musikkenner dabei ein schlechtes Gewissen bekommen müsste. Dass nicht nur das Hören, sondern auch das Musizieren große Freude bereitet, bewiesen der niederländische Pianist Eeco Rijken Rapp und der deutsche Schlagzeuger David Herzel in der "Gärtnerei Kind" in Saarburg mit ihrem Programm "Boogielicious". Neben qualitativ hochwertigen Eigenkompositionen - etwa dem quirligen "Boogie Woogie Man" aus der Feder des Pianisten oder der Gemeinschaftsproduktion "Bookwood Mountain Boogie" - ist der Konzertabend vor allem eine Hommage an die Blütezeit des Boogie. 1938 traten die US-amerikanischen Pianisten Albert Ammons, Pete Johnson und Meade Lux Lewis zusammen in der New Yorker Carnegie Hall auf und erzeugten dabei ein Boogie-Fieber, das sich bald über die Grenzen der USA ausdehnte. Fast 70 Jahre später klingen Ammons' "Bugie Boogie", Johnsons unerreichbarer "Death Ray Boogie" oder Lewis' "Honky Tonk Train Blues" immer noch nach einem Lebensgefühl, das zeitlos zu sein scheint. Die Leistung des niederländischen Pianisten Rapp besteht dabei nicht darin, die Stücke fehlerfrei und technisch annährend perfekt zu spielen - er schafft es, den Jahrzehnte alten Kompositionen das eine oder andere Staubkörnchen fortzublasen, improvisiert einzelne Passagen gekonnt und liefert sich spektakuläre Duelle mit dem kongenialen Perkussionisten David Herzel, der zu seinen Soli neben seinem Schlagzeug auch gerne auf Stuhllehnen, Glasflaschen oder die Schulter des Volksfreund-Journalisten zurückgreift. Rapp hingegen zeigt sich als Meister der Schlichtheit, beweist auch mit wenigen Tönen ein großes Rhythmusgefühl, anders als bei herausragenden und entsprechend virtuos agierenden Pianisten wie Joja Wendt oder Gottfried Böttger. Dabei kommt der Niederländer eigentlich aus dem Bereich der klassischen Musik. Doch beim Boogie ist der Musiker freier und ungebundener, sagt er. Den rund 90 Zuschauern im ungewöhnlichen Konzertambiente gefiel diese Freiheit und Spontaneität, die lässig-beschwingten Rhythmen können zweifellos auch einen kalten Novemberabend in einen warmen Frühsommertag verwandeln. Bedenkt man, dass mit der Renaissance der Melodie das Bild des (zweiten) Frühlings auch nicht unpassend erscheint, so kann man guten Gewissens sagen, dass wir uns auch dank Rapp und Herzel zumindest musikalisch eindeutig in der falschen Jahreszeit befinden.

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