Aufklärung, die Mut macht

OCKFEN. 58 Jahre waren Vater und Sohn auf der Suche. Aber erst im vergangenen Jahr konnte Norbert Krewer das Schicksal seines seit dem Zweiten Weltkrieg vermissten Onkels klären. Seine Recherche führte ihn bis in die Archive nach Moskau.

Wann immer der heute Mitvierziger Norbert Krewer seinen Vater nach dem Verbleib seines gleichnamigen Onkels fragte, sah er in enttäuschte Augen. Immer und immer wurde ihm das Datum des letzten Briefes genannt, den der damals 20-Jährige von der russischen Front an seine Familie in der Ockfener Heimat geschrieben hatte: 15. August 1944. Am 4. September 2002 beendete die Nachricht der Liga der Deutsch-Russischen Freundschaft über den Todestag und -ort die oftmals nervenaufreibende und von unbeantworteten Fragen geprägte Suche nach dem vermissten jugendlichen Soldaten.Bis vor zehn Jahren betrachtete der Jurist im saarländischen Umweltministerium die Ungewissheit über den Verbleib seines Onkels als ein Schicksal, mit dem man sich abzufinden habe. Ihm waren die unzähligen vergeblichen Versuche seines Vaters in bester Erinnerung, der bereits mehrfach alle Hebel über die ihm bekannten Institutionen und staatlichen Einrichtungen in Bewegung gesetzt hatte, um Klarheit zu schaffen.Als Norbert Krewer dann bei Renovierungsarbeiten auf dem Dachboden seines Elternhauses einen Stapel mit Feldpostbriefen in die Hände bekam, wurde er von dem Wunsch erfüllt, die durch die politischen Veränderungen entstandenen neuen Möglichkeiten zur Aufklärung zu nutzen.Er durchforstete jeden Brief nach Informationen, die ihm Aufschluss über den Verbleib geben konnten. Er besuchte die Orte, an denen sein Onkel stationiert gewesen war und sprach mit Zeitzeugen vor Ort. So durchlebte er die Stationen, die der junge Mann, der kurz vor dem Jahreswechsel 1942/1943 im Alter von 18 Jahren einberufen worden war, bis zu seinem letzten Brief schriftlich mitgeteilt und beschrieben hatte.Doch trotz aller Hoffnungen sollten seine Bemühungen bis weit ins Jahr 2001 nicht das erwünschte Ergebnis bringen.Durch einen Zeitungsartikel wurde er schließlich auf den Verein zur Bergung vermisster Soldaten in Moldawien aufmerksam, mit dem er Kontakt aufnahm. Schnell entstand über diese Gruppe die Verbindung zur Liga Deutsch-Russische-Freundschaft, die ihm neue Wege bei seiner Suche aufzeigte. In dieser Liga stellen sich Bibliothekare und Archivare ehrenamtlich in den Dienst Ratsuchender, um Kriegsschicksale aufzuklären.Systematisch wurden alle 70 frei zugänglichen russischen Archive durchgearbeitet, anfänglich noch ohne eindeutiges Resultat.Zwar war ein "Norbert Krewer" aus Ockfen rasch ausfindig gemacht worden, wenngleich der Vorname des Vaters in den Unterlagen anders lautete. Doch auch dieser Widerspruch konnte von der Liga geklärt werden, weil "Johann" in der russischen Sprache als "Iwan" definiert und mit "Josef" übersetzt wird.Akribisch festgehalten

Für Norbert Krewer steht heute die Erleichterung über die Aufklärung des Schicksals im Vordergrund. Positiv überrascht hat ihn die Tatsache, dass das russische Militär die Akten und Unterlagen der Kriegsgefangenen akribisch genau geführt hatte. Alles, was die Angehörigen benötigen, um vermissten Kriegsopfern eine würdevolle Ehre erweisen zu können, wurde schriftlich festgehalten: genaue Identifikation, Todestag und -ursache sowie den Ort der Grabstätte. Beeindruckt hat ihm die Hilfsbereitschaft der russischen Institutionen.Am 20. November des vergangenen Jahres veröffentlichte Norbert Krewer eine Todesanzeige für seinen Onkel im Trierischen Volksfreund . In dieser Anzeige zitierte er aus einem der letzten Briefe des Onkels: "Wenn ich nicht mehr nach Hause kommen sollte, so sagt einfach: Der Herrgott hat es so gewollt. Dann sehen wir uns in einer anderen Welt wieder, wo es keine Trennung mehr gibt."Fragen zu dem Thema beantwortet Norbert Krewer im Internet unter norbert-krewer@freenet.de.In den nächsten beiden Wochen wird die Verbandsgemeinde Kell am See im Mittelpunkt stehen. Ein Ortsportrait von Greimerath macht den Anfang.

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