Blutrünstig bis weinselig

KLÜSSERATH. (gsb) Das Ende war blutrot: Ein 2003er Spätburgunder Barrique setzte den symbolischen Schlusspunkt unter eine bemerkenswerte Veranstaltung um Mord und Totschlag in der neuen Klüsserather Vinothek. Die bundesweite Veranstaltung "crime&wine" setzte an der Mosel literarische und musikalische Akzente.

Manchmal sollten Städter lieber aufs Land fahren, wenn sie kulturell bedient werden möchten. So jedenfalls bei der ersten Kriminacht mit Weingenuss - kurz: crime&wine" - in der neuen Vinothek in Klüsserath. 120 plaudernde Menschen stehen zusammen mit Weinköniginnen und etwas Lokalprominenz vor dem 200 Jahre alten Ökonomiegebäude der Pfarrei. "Ein Kleinod", tuschelt jemand, "sowas gibt es in anderen Gemeinden nicht." In der Tat dürfte das nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten frisch restaurierte Gebäude zentrale Anlaufstelle für Touristen und Einheimische im Ort werden: Eine Poststelle, die Touristinformation und eine Vinothek sind dort untergebracht - und ein 150 Quadratmeter großer Multifunktionsraum, der Schauplatz für eine bemerkenswerte Kooperation ist. Locker eine Stunde überzogen

Ein bisschen Satire, tiefgründiger, schwarzer Humor, dazu vorzügliche Klüsserather Weine, die die Bandbreite der heimischen Erzeugnisse widerspiegeln. "So lang wie Klüsserath wird der Abend nicht sein", verspricht Moderator Rainer Breuer vom Verlag éditions trêves kurz nach dem Sektempfang, um die angekündigte Länge von zweieinhalb Stunden dann doch locker mit einer Stunde zu überziehen. Das dürfte nur die wenigsten stören, schließlich ist der Abend ausgesprochen kurzweilig. Sind zu Beginn der kombinierten "Lese-Nacht" die Zuhörer noch konzentriert bei der Sache, ändert sich das rasch nach einem großzügig ausgeschenkten 13,5-prozentigen Spätburgunder Blanc de Noir, der später von einem 15-Prozentigen noch getoppt wird. Der Geräuschpegel im Publikum steigt, und der Gitarrist Martin Spiegelberg, ehemals Mitglied der Münchener Lach- und Schießgesellschaft, hat wie der Saxophonist Fred Beck aus Heidelberg bei den jazzigen Einlagen keinen leichten Stand. "So laut wie hier habe ich es noch nie erlebt", meint später Herausgeberin Ursula Dahm. Was aber weniger der moselanischen Heiterkeit als der verbesserungsbedürftigen Akustik des Raumes zuzuschreiben ist. Es herrscht eine Atmosphäre, die irgendwo zwischen einem gut etablierten Jazzclub und einer fortgeschrittenen Weinprobe anzusiedeln ist. "Die Leute wollen sich schließlich unterhalten", sagt Winzer Hermann Krisam verständnisvoll. Bonbons zwischen den acht herausragenden Weinproben sind die Krimis. Wie die von Martin Spiegelberg, frisch gebackener Preisträger für Kurzkrimis. Für seinen Text "Herbschde" (zu deutsch: Weinlese) erntet er heftige Lachsalven - offenbar können Moselaner sich auch mit dem Schwäbischen identifizieren. Die Pause beginnt und mit ihr der Sturm auf das appetitliche kalte Büfett. Vier Stunden haben die Frauen und Töchter der 14 an der Vinothek beteiligten Klüsserather Winzer dafür Häppchen zubereitet und den Raum liebevoll dekoriert. Ob diese Veranstaltung eine gute Werbung für ihren Wein ist? "Auf jeden Fall", meint Anita Scholtes. "Wein, verbunden mit einem Thema, spricht Leute jeden Alters an." Das sieht auch ein Wuppertaler Gast so, der von der Veranstaltung "angenehm überrascht" ist. Wie andere, die das kulturelle Ereignis an der Mosel überschwänglich loben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort