Brücke zum Nachbarn

TRIER. (red) Nach der erfolgreichen Serie, in der Zeitzeugen aus der Region Trier von den letzten Kriegsmonaten berichteten, hat der Trierische Volksfreund eine Neuauflage gestartet. Im Mittelpunkt stehen die Wirtschaftswunder-Jahre. Heute ein Bericht von Erwin Weber.

Viele Brücken waren zu schlagen nach dem Zweiten Weltkrieg - zu unseren Nachbarn in Europa, über Grenzen hinweg, über Flüsse und Wege. Hier in Langsur war es unsere Wirtschaftsbrücke, die uns die Passage über die Sauer nach Luxemburg ermöglichte. Zum besseren Verständnis: Die Bürger der Gemeinde hatten und haben zwei Drittel ihrer Ländereien seit dem Mittelalter auf der anderen Seite der Sauer in Luxemburg liegen. Die Langsurer Wirtschaftsbrücke wurde am Abend des 13. September 1944 von der deutschen Wehrmacht gesprengt. Die Trinkwasserversorgung des Dorfes, die an der Brücke angebracht war, wurde durch die Sprengung völlig zerstört. Deshalb war unser Dorf bis 1947 ohne Trinkwasser. Die Menschen versorgten sich aus ein paar alten Brunnen oder aus der Sauer. In dieser Zeit sind zwölf Typhusfälle aufgetreten, verursacht durch den Genuss von Wasser aus den verseuchten Brunnen oder aus der Sauer. An einem starken Drahtseil wurde dann 1947 ein neues Wasserleitungsrohr aufgehängt und wieder an das vorherige Rohrleitungsnetz und den Wasserfassungsbehälter auf der Luxemburger Seite angeschlossen. Sechs Jahre später - 1953 - war dann die Wirtschaftsbrücke wieder aufgebaut und die Bürger von Langsur konnten sie feierlich einweihen. 1956 erfolgte dann die Trinkwasserversorgung für unser Dorf durch den Anschluss an das Gruppenwasserwerk Eifel. Nach und nach fassten die Menschen in unserem Grenzgebiet wieder Mut und hatten den Willen, den Aufbau zu beginnen. 20 Häuser, die ausgebrannt waren, wurden wieder hergestellt. Viele Maßnahmen waren nötig, aber die Finanzierung, besonders bei den privaten Bauherren, war sehr schwierig. Die Raiffeisenkassen haben aber, soweit es ihre Möglichkeiten zuließen, geholfen, vor allem mit den benötigten Materialien. Wir hatten in Langsur sehr viele Handwerker, welche in dieser Zeit überall gebraucht wurden. Die größte Anzahl hat in den Nachbarorten in Luxemburg gearbeitet. Da die Verbindungen in alle Richtungen schlecht waren, hat man sich ein Fahrrad, dann ein Moped, dann ein Motorrad und später ein Auto - natürlich auf Raten - gekauft. Ich hatte mir als erstes Auto damals ein Goggo-Mobil angeschafft. Da ich wie alle anderen auch im Sommer und Winter zur Arbeit fahren musste, war ich gegenüber den Fahrten mit dem Motorrad nicht mehr so der Witterung ausgesetzt. Ein Vorteil des Goggo-Mobils war - wenn man in einer Parklücke eingeschlossen war -, dass man das Auto mit zwei Mann vorne herum aus der Lücke heben und dann weiterfahren konnte. Die gerade beendete Fußballweltmeisterschaft hat mich jetzt wieder daran erinnert, wie ein Kollege und ich 1954 mit dem Fahrrad von Langsur nach Speicher geradelt sind, weil wir dort die Möglichkeit hatten, in einem Saal, in dem ein Fernsehgerät aufgestellt war, das dramatische Endspiel von Bern zu erleben. Es gab 1954 sehr wenige Gelegenheiten, dieses Spiel zu sehen. Die Rückfahrt von Speicher nach Langsur war dann sehr beschwingt. Erwin Weber aus Langsur war Bauunternehmer und ist jetzt im Ruhestand.

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