"Das war meine Firma"

KONZ-KARTHAUS. Wenn Helga Hoese heute Morgen die Grundschule St. Johann in Karthaus betritt, dürfte es ihr reichlich schwer ums Herz sein: Nach mehr als 20-jähriger Tätigkeit als Schulsekretärin wird Schulleiter Norbert Müller sie um kurz nach 11 Uhr in den vorzeitigen Ruhestand verabschieden.

"Ich glaube, wenn ich am Donnerstag hier stehe und etwas sagen soll, kriege ich keinen Ton heraus. Da muss ich sicherlich mit den Tränen kämpfen", schildert Helga Hoese Anfang der Woche ihre Gefühle im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund. Knapp 22 Jahre Grundschule St. Johann hat die 62-Jährige hinter sich gebracht. Dabei war die gebürtige Triererin ursprünglich als Mutterschafts-Vertretung mit überschaubarem Zeitvertrag eingeplant. "Am 12. September 1983 hatte ich meinen ersten Arbeitstag und sollte nur für ein halbes Jahr bleiben", erzählt sie. Dann sei ihre Vorgängerin jedoch nicht wiedergekommen, und Helga Hoese stieg "fest" ein. Zehn Jahre hatte sie zum damaligen Zeitpunkt wegen der Erziehung ihrer Kinder mit dem Beruf pausiert. "Als unsere jüngste Tochter in St. Johann eingeschult wurde, habe ich durch Zufall erfahren, dass sie hier jemanden suchten." Für die ausgebildete Sekretärin, die zuvor Berufserfahrung bei einem Steuerberater, einer Versicherung und in einer Holzfirma gesammelt hatte, war die grundsätzliche Tätigkeit auch nach der längeren Pause nicht fremd. Gleichwohl stellte sie schnell fest: "Sekretärin in einer Schule zu sein, ist etwas völlig anderes, als diesen Job in einem Unternehmen auszuüben. Das Aufgabengebiet ist unheimlich breit gefächert, die Anforderungen sind vielseitig. Es ist geradezu ein Hohn, die Leute als Schreibkräfte einzustellen." Man könne nie lange an einer Sache bleiben, ständig "lauerten Unterbrechungen". Eigenständig organisieren und gestalten

Wie zur Untermalung ihrer Ausführung stürmen in dem Moment zwei Mädchen ins Büro und teilen mit, der einen sei übel. "Die Mutter kann das Mädchen nicht mit dem Auto abholen. Rufen Sie ein Taxi, das die Kleine heimbringt", rät Helga Hoese ihrer Nachfolgerin Marion Fahl, die sie seit zwei Wochen einarbeitet. Sie erinnert sich noch gut an ihren Anfang in Karthaus. "Ich habe mir nach und nach die Akten vorgenommen und geschaut, wie meine Vorgängerin das gemacht hat." Der gesamte Schriftverkehr der Schule, das Führen der Schülerakten, Rechnungen prüfen sowie die Kontaktpflege zu Eltern und Lehrern gehörte unter anderem zu ihrem Aufgabengebiet. "Es sind enorm viele Dinge, die man eigenständig organisieren muss und gestalten kann", sagt die Neu-Ruheständlerin. Gestaltet hat Helga Hoese dabei nicht allein ihren eigenen Aufgabenbereich, sondern ein bisschen auch die Freizeit der Jungen und Mädchen. Seit 1990 gilt St. Johann als betreuende Grundschule, an der Erst- und Zweitklässler auf Wunsch zwischen 12 und 13 Uhr beaufsichtigt werden. Beim Burgenbauen im Sandkasten, Seilspringen, Legobasteln, Fußballspielen oder Lesen hat Hoese ein ganz besonders wachsames Auge auf die ihr anvertrauten Kinder geworfen. "Ich habe das unheimlich gerne gemacht, die Kinder werden mir sicher fehlen", glaubt sie. Autorität auch gegenüber etwas schwierigeren Jungen und Mädchen habe sie sich stets auf ihre Weise verschafft: "Ich habe meine Prinzipien und lasse mir nicht auf dem Kopf herumtanzen. Man muss eine Linie im Umgang mit Kindern haben und ihnen eine klare Richtung vorgeben", ist die Mutter zweier erwachsener Töchter überzeugt. Der Abschied von der Schule falle ihr auch deshalb schwer, weil sie sich immer "dazugehörig gefühlt" habe. "Das ist meine Firma gewesen", sagt sie schmunzelnd und gesteht: "Natürlich freue ich mich auf der einen Seite auf die bevorstehende Zeit. Aber dass mir das nicht ganz geheuer ist, merke ich daran, dass ich die letzten Nächte schlecht geschlafen habe. Und das gibt es bei mir sonst nie."

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