Der Natur auf den Ast geschaut

KORDEL. Es gibt unzählige Ehrenämter: in Vereinen, im Sozialbereich, bei Feuerwehr und Katastophenschutz. Doch was macht einer, der ehrenamtlich als "phänologischer Beobachter" für den Deutschen Wetterdienst (DWD) tätig ist? Erich Hein aus Kordel gehört seit 25 Jahren zu dieser seltenen Gilde. Und die langfristige Entwicklung, die er dabei beobachtete, macht ihn besorgt.

Im Hauptberuf ist Hein Forstwirt. Von seiner täglichen Arbeit in den Wäldern, dem sachkundigen Umgang mit Bäumen und Pflanzen, lässt sich leicht die Brücke zu seinem ehrenamtlichen Engagement im phänologischen Beobachtungsdienst des DWD schlagen. Aufgabe der phänologischen Beobachter ist es, die Wechselwirkung zwischen Klima und Pflanzenwachstum zu beobachten und zu dokumentieren - und das über Jahre hinweg. Die sich daraus ergebenden Erkenntnisse kommen insbesondere der Landwirtschaft zugute.Details des Kordeler Klimas

Heidrun Jagoutz, Leiterin der agrarmeteorologischen DWD-Außenstelle in Geisenheim erklärt: "Phänologische Beobachter sind naturverbundene, in der Botanik kundige Menschen. Ihre Aufgabe ist es, an einer Vielzahl von Wild- und Kulturpflanzen den Beginn bestimmter Entwicklungsdaten aufzuzeichnen und an den Wetterdienst weiterzugeben." Registriert wird die regionale Entwicklung von insgesamt 46 Pflanzenarten. Für Hein bedeutet das, dass er die Flora in seinem Heimatort Kordel und in der Umgebung im Auge behält. Das Spektrum reicht von wilden Sträuchern und Stauden bis zu Kulturpflanzen wie Kartoffeln und Apfelbäumen. Sobald bei den Gewächsen ein neues Entwicklungsstadium (etwa Ausschlagen, Blühen oder Laubverfärbung im Herbst) auftritt, meldet Hein dies an die DWD-Aussenstelle. "Durch diese Beobachtung der Pflanzen lassen sich Phänomene des lokalen Klimas ableiten, die ohne ein kostspieliges Messnetz wertvolle Hinweise für die Standortplanung wärmeempfindlicher Kulturpflanzen wie Sonnenblumen, Mais, Obstgehölze und Wein geben", erläutert Außenstellen-Leiterin Jagoutz. Seit 25 Jahren ist der Forstwirt Hein schon als Helfer der Landwirtschaft unterwegs. Dafür hat ihn der Wetterdienst nun mit einer Verdienstmedaille ausgezeichnet. Die berufliche Arbeit an wechselnden Standorten in den Wäldern der Region kann er allerdings nicht mit dem Ehrenamt verknüpfen. Hein: "Ich bin als phänologischer Beobachter für das Gebiet rund um Kordel zuständig und außerdem nicht auf die typische Waldpflanzen beschränkt.""Vegetation kommt nicht mehr zur Ruhe"

Das Ehrenamt hat er 1980 von seinem Bruder "geerbt", wie Hein sich ausdrückt. Jener hatte nach zwei Jahren aufhören müssen. Und dank seiner intensiven Naturbeobachtung über zweieinhalb Jahrzehnte kann Hein auch über langfristige Entwicklungen berichten. Doch die sind - auch aus seiner Sicht - eher Besorgnis erregend. Als nur ein Beispiel nennt er die Apfelblüte, die seit 1988 fast konstant zu früh im Vergleich mit den vorangegangen Jahrzehnten beginnt. Als Ursachen nennt er die durchwegs zu warmen Winter und den allgemeinen Temperaturanstieg. Der Frühling beginne zu früh, der Herbst zu spät. Die Vergetationsphase ziehe sich inzwischen schon in den November hinein. Wegen des Temperatur-anstiegs komme die Vegetation nicht mehr zur Ruhe. "Ich befürchte zwei Möglichkeiten", sagt Hein: "Entweder, die heimischen Pflanzen wachsen sich eines Tages kaputt, oder wir bekommen langfristig ein subtropisches Klima mit einer völlig anderen Vegetation."

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