Der Riese ist gefallen

PLUWIG. Im Pluwiger Ortsteil Willmerich überragte eine 400 Jahre alte Hainbuche die angrenzenden Häuser und zahlreiche stolze Bäume. Der Riese mit einem Stammumfang von 2,40 Metern überspannte mit seiner Blattkrone eine Fläche von etwa 340 Quadratmetern. Nur zwei Tage und drei Motorsägen brauchte es - und es gab keine Buche mehr.

Hermann Philippi, stolzer Besitzer der über 400 Jahre alten Buche, erzählt: "Mein Großvater hat mir über das Alter dieses Baumes berichtet, und ich erfuhr, dass bereits sein Großvater Geschichten über unsere Hainbuche zum Besten gab." Der starke Regen in den vergangenen Wochen hat eine Blätterschicht an den Stammenden des riesigen Baumes weggespült. Was Hermann Philippi danach sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Ein fußballgroßes Loch tat sich am Stammende auf und führte in einen großen Hohlraum innerhalb des Stammes. Nun war auch eine Erklärung für die frühzeitige Gelb- und Braunfärbung eines Teiles der Belaubung gefunden. Nach Tagen der Überlegung wurde der ortsansässige Förster Karl Franzen hinzugezogen. Aber auch ein Förster hat nicht oft einen 400 Jahre alten Patienten. Franzen zweifelt an der Altersangabe, da es für eine Hainbuche sehr alt sei. Er bescheinigte dem besorgten Rentner, dass ein Teil des Stammes einen gesunden Eindruck mache. Dies jedoch genüge nicht, einen derartigen Riesen auf Dauer am Leben zu erhalten. Große Teile der Oberflächenwurzeln seien in Mitleidenschaft gezogen. Auf Nachfrage berichtete Karl Franzen: "Im Zuge der Kanalisierung und beim Straßenbau im Jahre 1971 wurden sämtliche hinderlichen Wurzeln gekappt, die für einen Baum dieser Größe lebenswichtig sind. Und in genau diese Richtung neigt sich der Baum." Auch Anwohner erzählen, dass vor den Kanalisierungsarbeiten der Baum viel dichter war, so dass kein Regentropfen das Blattwerk durchdrang. Förster Franzen: "Den tatsächlichen Gesundheitszustand des Baumes könnte nur ein Gutachter feststellen, wie es auch bei den alten Bäumen in den Trierer Parkanlagen regelmäßig gemacht wird." Philippi schlug vor, einen Verjüngungsschnitt vorzunehmen. Er wollte einige schwere Äste, die bis über die angrenzende Straße führten, im Herbst nach dem Laubfall abzusägen. Diesem Vorschlag war der Forstmann nicht abgeneigt. Zuerst jedoch wurde ein fachmännisches Urteil eingeholt. Die von Philippi beauftragte Firma nahm sich des kranken Riesen an und kam zu dem vernichtenden Urteil, dass es für den betagten Schattenspender nur noch eine Möglichkeit gebe. Um die Sicherheit der Anwohner zu garantieren, müsse die alte Hainbuche gefällt werden.Tränen flossen zum Lied der Motorsäge

Am Wochenende war es so weit. Garten- und Landschaftsbaumeister Manfred Feige rückte mit zwei Angestellten, ausgerüstet mit riesigen Motorsägen, in die Willmericher Straße ein, nachdem die Familie Philippi den entsprechenden Straßenabschnitt unter teilweise massiven Problemen eigenhändig abgesperrt hatte, weil die Gemeinde sich in dieser Sache für nicht zuständig erklärt hatte. Mit Hilfe eines Steigers war es Feige möglich, bis in die Spitze der Baumkrone aufzusteigen und mit dem Schnitt zu beginnen. Als die Baumfällarbeiten begannen, standen die Kinder des Ortsteils sprachlos und traurig hinter der Absperrung. "Ihr" Baum, der Baum zahlreicher Kindergenerationen, sollte in kurzer Zeit nicht mehr da sein. Tränen flossen nicht nur bei den Kleinen. Wehmütig schauten zahlreiche Anwohner, im Laufe des Tages auf einen Abschiedsblick beim "aalen Boam " vorbei. Nach zwei Tagen blieb von dem Jahrhunderte alten Zeitzeugen nur noch ein morscher Stamm übrig, der seine hölzernen Arme hilflos gen Himmel reckte. Zwei weitere Arbeitstage und es wird sein, als hätte es niemals eine 400 Jahre alte Hainbuche in Willmerich gegeben. Morgen: Neubaugebiet - Gemeinde Fell wird wachsen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort