Dickkopf mit dem Leben bezahlt

KORDEL. Wütendes Hundegekläff, aufgeregte Menschen, Geschrei und dann ein Schuss – so oder ähnlich mag sich das Szenarium bei der alten Schule in Kordel dargeboten haben, bei dem am Montagmorgen der junge Mischlingshund Malte ums Leben kam. Der ausgebüxte Vierbeiner muss sich zuvor wie ein Wilder aufgeführt haben, bevor ein Beamter der Polizei Schweich nach dem letzten Mittel – seiner Dienstwaffe – griff.

"Polizist erschießt aggressiven Hund" stand am Dienstag über einem Artikel, mit dem in einer Teilausgabe des TV über das Trierdrama im Kordeler Ortszentrum berichtet wurde. Die in Kordel zuständige Polizeiinspektion Schweich hatte selbst den Vorfall der Presse mitgeteilt. In dem Polizeibericht hieß es, dass am Montagmorgen im Kordeler Ortskern ein entlaufener Hund offenbar völlig außer Kontrolle geraten war. Bei dem Versuch, das fünf Jahre alte Tier wieder einzufangen, sei auch eine Nachbarin gebissen und am Bein verletzt worden. Die Halterin des Tieres habe daher selbst die Polizei um Hilfe gerufen. Wörtlich heißt es dann in der Meldung: "Als der Hund plötzlich auch auf den Beamten losgehen und ihn angreifen wollte, tötete dieser das Trier mit einem gezielten Schuss aus der Dienstwaffe." Angeblich ein ganz liebes Tier

Das war das Ende des kleinen Mischlingshundes namens Malte. Erst zwei Tage zuvor, am Freitag, 1. April, hatte ihn seine neue Kordeler Besitzerin - die hier ungenannt bleiben soll - aus dem Tierheim in Trier-Zewen abgeholt. Nach Auffassung derer, die Malte gekannt hatten, hätte sich dieses Tierdrama so nicht abspielen müssen. Vorwürfe werden nun gegen den Polizeibeamten laut - zu schnell geschossen habe der, statt zunächst einen Kollegen mit entsprechender Sachkenntnis von der Polizeihundestaffel Trier anzufordern. Als Alternative wird auch die Berufsfeuerwehr Trier genannt, die fast täglich entlaufene Hunde einfangen muss. Die Triererin Gisela Kohr, die Malte von zahlreichen Besuchen im Tierheim Zewen kannte: "Das war ein ängstlicher, zurückhaltender und liebenswerter kleiner Hund, der im Tierheim auch Umgang mit Kindern hatte." Malte sei weder bissig noch aggressiv gewesen. Vermutlich habe ihn aber die neue Situation in Kordel total überfordert. Die Reaktion des Polizeibeamten kann Kohr, die regelmäßig die Hunde im Tierheim besucht, nicht nachvollziehen und fragt: "Warum wurde nicht zunächst ein Hundeführer der Polizei angefordert, um den kleinen Malte einzufangen?" Roman Kirok, Dienstellenleiter in Schweich, nimmt seinen Beamten in Schutz. "Ich versichere, das hat dem Mann keinen Spaß gemacht. Aber der Hund hatte bereits einen Menschen gebissen - und die Streifenwagenbesatzung wusste das, als sie am Einsatzort in Kordel eintraf", sagt Kirok. Als der Beamte dort aus dem Auto ausstieg, sei der Hund sofort auf ihn in aggressiver Manier zugestürmt. Es sei also spontan eine gefährliche Lage entstanden. Kirok: "Sollte sich unser Beamter auch noch beißen lassen oder tatenlos zusehen, wie der Hund weitere Menschen anfällt?" In so einer Situation habe die unmittelbare polizeiliche Gefahrenabwehr im Interesse von Menschen Vorrang vor dem Leben eines Tieres. Deutlich auf Hang zum Weglaufen hingewiesen

Laut Tierheimleiter Andreas Lindig ist der Vorfall "für alle, die den Hund kannten, unvorstellbar". Das Tier habe schon mal geschnappt, aber nie gebissen. Lindig: "Malte war kein Hund, der vorwärts ging. Und wegen seiner Größe und Statur wirkte er auf niemanden angsteinflößend." Die Entscheidung des Beamten, zur Waffe zu greifen, kann und will Lindig nicht kommentieren: "Ich war schließlich nicht dabei und kenne daher nicht die konkrete Situation." Die Hauptschuld an dem Drama liegt nach Lindigs Auffassung bei der Halterin, die Malte erst zwei Tage zuvor im Tierheim abgeholt hatte. Der kastrierte Rüde Malte sei ein lieber Hund gewesen - aber mit einem unstillbaren Freiheitsdrang. Er sei immer gerne weggelaufen und habe dann bei Einfangversuchen geschnappt - ohne aber zu beißen. Lindig: "Jedem, der bei uns einen Hund abholt, geben wir konkrete, auf den Charakter des jeweiligen Tiers abgestimmte Verhaltensmaßregeln mit auf den Weg." Im Falle von Malte habe dies geheißen: auf keinen Fall von der Leine lassen und Vorsicht an den Hauseingängen. Lindig ist verärgert über das, was dann passiert ist. "Wir erleben immer wieder, dass unsere Hinweise für reine Formsache gehalten werden - bis dann etwas passiert." Dass Malte trotz eindeutiger Belehrung der Halterin schon nach zwei Tagen im neuen Heim habe flüchten können, sei der Anfang der Tragödie gewesen.

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