Die Hilfe hat 100 Gesichter

SERRIG. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte – oder er schlichtet. Bloß wie? Rund 20 Schüler des Auguste-Viktoria-Gymnasiums Trier wollten wissen, was zu tun ist, wenn auf dem Schulhof die Fäuste fliegen. Im Schullandheim Serrig bereiteten sich die Mädchen und Jungen auf ihre künftige Rolle als Streitschlichter vor.

Jeder kennt die Situation: Auf dem Schulhof fliegen die Fäuste und um die beiden Streithähne haben sich Schaulustige versammelt. Der herbeigerufene Lehrer beendet die Keilerei und verdonnert die Kontrahenten zu Strafarbeiten oder Nachsitzen. Allerdings: Die Langzeitwirkung dieser üblichen Maßnahmen aus der pädagogischen "Trickkiste" ist eher zweifelhaft. Klar, die Tätlichkeiten sind - zumindest vorerst - beendet, doch ist damit auch der Konflikt zwischen den Schülern gelöst?Schiedsleute als Vorbild

Schon die alten Ägypter bedienten sich so genannter "Mediatoren", um Streitigkeiten im Volk auf dem Verhandlungsweg zu beenden. Auch heute setzt hier zu Lande der Staat, beispielsweise im Bereich Nachbarschaftsrecht, auf Schiedsleute. Da lag es nah, die Methode auch in der Schule anzuwenden. Schon seit Jahren sind auf deutschen Schulhöfen Schülerinnen und Schüler als Streitschlichter unterwegs. Auch am Auguste-Viktoria-Gymnasium in Trier sollen demnächst Mediatoren zum Einsatz kommen. Lehrerin Wenke Schulenberg berichtet: "Die unter anderem aus negativen Einflüssen aus dem sozialen Umfeld und steigendem Leistungsdruck resultierende hohe Gewaltbereitschaft bei jungen Leuten hat ein Handeln notwendig gemacht." Zudem erhoffe man sich, das Schulklima nachhaltig verbessern zu können - "abgesehen von der Entlastung für die Lehrer", so Schulenberg. Ganz so einfach, wie es zunächst den Anschein hat, ist die Sache allerdings nicht. Sicheres Auftreten, Gerechtigkeitssinn und die Fähigkeit, Stimmungen zu erkennen, sind Eigenschaften, die ein potenzieller Streitschlichter mitbringen muss. Denn er oder sie soll den Kontrahenten schließlich helfen, eine Brücke zur Verständigung zu bauen, statt Richter zu spielen. Deshalb steht am Anfang einer "Streitschlichter-Karriere" zunächst viel Training. Zu diesem Zweck und im Rahmen der Initiative "Wer nichts tut, macht mit" der Polizei hatten sich rund 20 Schülerinnen und Schüler des Trierer Gymnasiums auf den Weg ins Schullandheim Serrig gemacht. Zwei Tage lang hatten die Achtklässler die Gelegenheit, unter Anleitung von speziell ausgebildeten Lehrern in ihre künftige Rolle hineinzuschnuppern.Unterschiedliche Beweggründe

Weshalb aber wollen sich die 13- bis 14-Jährigen für eine gewaltfreie Schule engagieren? Während der eine seinen Schulkameraden schlicht helfen möchte, einen Konflikt zu lösen, bevor es zum Schlagabtausch kommt, erhofft sich der andere, "etwas für mein Leben zu lernen". Zu hören war auch: "Ich finde es gut, wenn im Fall des Falles jemand da ist, der helfen kann." Generell sei es wünschenswert, Streitigkeiten untereinander und ohne Gewalt zu lösen, lautete der Tenor. Uwe Konz, Beauftragter für Jugendsachen bei der Polizeidirektion Trier, gab zu bedenken: "Wenn man einen Konflikt, der bereits eskaliert ist, beenden will, ist darauf zu achten, dass man sich selbst nicht in Gefahr bringt." Denn: "Die Hilfe hat 100 Gesichter", so Konz. Nach dem Einführungskurs in Serrig wollen die Schüler des Auguste-Viktoria-Gymnasiums ein halbes Jahr lang mindestens zwei Schulstunden pro Woche dem Thema widmen. Später soll ein "Streitschlichterraum" eingerichtet werden, der - abseits des Schulhofs - den passenden Rahmen für ein klärendes Gespräch und damit die Grundlage für eine gewaltfreie und dauerhafte Lösung bietet.

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