Die meisten Regale sind leer

Immer wieder wird seitens der Gesundheitsbehörden vor Impfmüdigkeit in der Bevölkerung gewarnt. Jetzt gibt es ein anderes Problem: Wer impfen will, kann nicht, weil gegen FSME sowie bei der Kombination Tetanus und Diphtherie kein Impfstoff zu bekommen ist.

Kreis Birkenfeld. (sc) Wer derzeit eine Auffrischung seiner Tetanus-Diphtherie-Impfung benötigt oder sich vor dem von Zecken übertragenen FSME-Erreger schützen will, hat ein Problem: Es gibt keinen Impfstoff. Wie mehrere Ärzte und Apotheker bestätigen, sind die Regale leer oder fast leer, und Anfragen bei den beiden einzigen Herstellern werden mit Vertröstungen auf den Herbst beantwortet. Während beim FSME-Impfstoff die große Nachfrage als Hauptgrund für den Engpass genannt wird, rätseln Ärzte und Apotheker über den Grund der Probleme bei Diphtherie/Tetanus. Der Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Gerhard Samosny, weiß zwar von der aufwendigen Produktion der Impfstoffe ("Das ist viel schwieriger als bei gebräuchlichen Medikamenten"), kann sich einen solchen Engpass aber auch nicht erklären. Auch der Idar-Obersteiner Apotheker Winfried Buckert hat das in seiner mehr als 30-jährigen Berufszeit noch nicht erlebt. Zum einen sei die Aufgabe der teuren Lagerhaltung in der Pharmazie-Industrie ein Grund, meint er: "Das ist zu teuer geworden, es wird dort nur noch nach Bedarf produziert - wie bei der Automontage..." Der aber ist nicht so leicht zu bestimmen, eine schon leicht gestiegene Nachfrage wie etwa bei der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), die von Zecken übertragen wird, werfe jegliche Planung über den Haufen. Zum anderen seien Politik und Krankenkassen durch den ständig erhöhten Kostendruck "nicht unschuldig an der Entwicklung", sagt Buckert. Joachim Doll hat zwar noch einige wenige Exemplare des Kombinations-Impfstoffs - den einfachen Tetanus-Impfstoff gibt es weiterhin - in seiner Apotheke in Nahbollenbach vorrätigAnfragen aus Arztpraxen, die meist dutzendweise bestellen, kann aber auch er nicht mehr erfüllen. Immer öfter erhalte er bei Bestellungen vom Großhandel die Antwort: "Derzeit nicht lieferbar." Im Juli erst habe er 300 Packungen des FSME-Impfstoffes bestellt - und keine einzige erhalten. Auch in diesem Jahr gab es nach Angaben des Gesundheitsamtes bereits wieder zwei sichere und einen möglichen FSME-Fall - der Kreis Birkenfeld ist weiterhin Risikogebiet, die Impfkosten werden von den Krankenkassen übernommen. Bundesweit hat sich seit 2004 die Zahl der Erkrankungen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts mehr als verdoppelt. Zudem erkranken nach Schätzungen der Gesundheitsämter jährlich 60 000 bis 80 000 Deutsche an der Bakterien-Infektion Borreliose, ebenfalls von Zecken übertragen. Hiergegen gibt es keine Impfmöglichkeit. Insektenschutz ist daher wichtig. So sind beim Besuch im Wald feste Kleidung und geschlossene Schuhe dringend angeraten und hinterher eine gründliche Untersuchung - vor allem in Kniekehlen, Achselbeugen, in der Leistengegend und am Haaransatz beißen die kleinen Blutsauger gerne zu. Auch in Apotheken erhältliche Insektenschutzmittel sind sinnvoll. Jede Zecke muss schnellstmöglich - am besten mit einer Zeckenzange aus Kunststoff - beseitigt werden. Dann sollte die Stichstelle gereinigt, desinfiziert und beobachtet werden. Typisch für Borreliose ist eine kreisförmige Rötung, die sich nach außen ausbreitet: die sogenannte Wanderröte. Tritt sie auf, sollten Betroffene einen Arzt zurate ziehen. Bei der FSME zeigt nur etwa jeder fünfte Infizierte überhaupt eine krankhafte Reaktion: Zwei bis zwanzig Tage nach der Infektion treten grippeähnliche Symptome mit Fieber und Kopf- und Gliederschmerzen auf, die sich nach wenigen Tagen wieder zurückbilden. Nur in ganz wenigen Fällen weitet sich die Krankheit lebensbedrohlich bis hin zu Lähmungen und Koma aus. Dr. Gerhard Samosny sieht daher auch keinen Grund zur Panik: "Gefährdet sind sowieso nur Menschen, die ungewöhnlich oft in der freien Natur sind, vielleicht im Wald arbeiten, und Menschen, die an sich schon öfter Zecken entdeckt haben. Diesen Personengruppen rät der Leiter des Gesundheitsamtes zur FSME-Impfung - wenn es denn wieder Impfstoff gibt.

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