Drei Monate zu spät gestorben - Frau darf nicht im Grab ihres Mannes beerdigt werden

Freudenburg/Saarburg · Eine gebürtige Freudenburgerin kann den letzten Willen ihrer Mutter nicht erfüllen und sie im Grab ihres Mannes beerdigen. Der Grund: Die Mutter ist drei Monate zu spät gestorben, um die Vorgaben der Friedhofssatzung zu erfüllen. Der Freudenburger Ortschef gibt sich unnachgiebig und verweist darauf, dass jeder eine Satzungsänderung beantragen könne.

Der Tod kam plötzlich. Ausgerechnet an Ostersonntag ist die trotz ihrer 85 Jahre noch fitte Mutter von Margot Pletsch gestorben. Die Freudenburgerin kam bis zuletzt allein in ihrem Haushalt zurecht.

Der Schock für die Tochter war groß. Doch was sie dann erlebte, schockte sie nochmals. Die Urne mit dem verbrannten Leichnam der Mutter durfte nicht im Grab des Vaters beigesetzt werden. Pletsch: "Das war all die Jahre immer ihr Wunsch. Sie hat mit ihm ihr ganzes Leben geteilt und ihn drei Jahre lang gepflegt. Wenn wir an dem Grab gestanden haben, hat sie immer gesagt: Ich will da rein."

Auch der Grabstein war entsprechend angelegt. Pletsch: "Meine Mutter hatte dem Steinmetz den Auftrag gegeben, den Namen meines Vaters oben einzugravieren, damit ihr Name drunter passt."

"Wünsche mir mehr Sensibilität"

Was gegen die Beisetzung im vorhandenen Grab gesprochen hat, waren die Zeiten, die die Freudenburger Friedhofssatzung vorgibt und an die sich die Ortsgemeinde strikt hält. Demnach beträgt die Ruhezeit für ein Reihengrab 25 Jahre. Wird eine Urne in ein solches Grab hineingegeben, muss deren verbleibende Ruhezeit mindestens noch 15 Jahre dauern.

Im Fall Pletsch ist das Grab des Vaters zehn Jahre und rund drei Monate alt. Die mögliche Ruhezeit für eine Urne würde also um just drei Monate unterschritten. Margot Pletsch und ihr Mann Alfred Bentenrieder verstehen nicht, warum so knappe Fristverfehlungen nicht großzügiger gehandhabt werden. Sie sagt: "Ich würde mir gegenüber den Trauernden mehr Sensibilität wünschen. Es geht doch auch um den letzten Willen eines Menschen."

Sie wäre gerne bereit, für eine Verlängerung der Liegezeit zu zahlen oder das schriftliche Einverständnis für eine 14-jährige Ruhezeit der Urne zu geben. Doch bei Ortschef Bernd Gödert stößt sie auf Granit. Er verweist schlicht darauf, dass die Vorgaben der Satzung nicht erfüllt werden. Für Pletsch ist der Mann deshalb pietätlos, unmenschlich und stur.

Gödert argumentiert dem TV gegenüber auch mit den rechtlichen Vorgaben des rheinland-pfälzischen Bestattungsgesetzes, die hinter der Satzung stehen. Demnach gilt für Reihengräber generell eine maximale Ruhezeit von 25 Jahren. Für Urnen ist eine Ruhezeit von mindestens 15 Jahren wegen der zu wahrenden Totenruhe vorgeschrieben.

"Gleichheit auf dem Friedhof"

Ausnahmen würden einen Rechtsverstoß bedeuten, sagt Gödert und ergänzt: "Mit der strikten Satzungsauslegung ist jeglicher Ansatz von Ungleichbehandlung ausgeschlossen. Spätestens auf dem Friedhof sollen alle gleich sein!"

Doch woanders können Bürger ein Familiengrab, bei dem die Nutzungsdauer verlängert werden kann, wählen. In Freudenburg sind laut Pressestelle der Verbandsgemeinde Saarburg solche Familiengräber aus Platzgründen abgeschafft worden. Gödert sagt: "Es bleibt jedoch jedem unbenommen, einen Antrag auf Satzungsänderung einzureichen."
Das wäre eine Diskussion für die Zukunft. Margot Pletsch muss allerdings mit der Gegenwart zurechtkommen. Um Abschied nehmen zu können, hat sie ihre Mutter in der Urnenwand des Freudenburger Friedhofs beigesetzt - "zwangsläufig und unfreiwillig", wie sie sagt.

Sie will weiter dafür kämpfen, dass sie den letzten Willen ihrer Mutter erfüllen kann - notfalls vor Gericht. Wenn alle Stricke reißen, käme für Pletsch auch eine Umbettung der sterblichen Überreste ihrer Eltern nach Saarburg in Frage.
Für diesen Fall ist für die gebürtige Freudenburgerin, die in Saarburg lebt, klar: "Dann will ich mit Freudenburg aber nichts mehr zu tun haben."
Meinung

Unmenschliche Regelungen

Bei der Trauer um einen geliebten Menschen, der gestorben ist, geht es meist um allumfassende und tiefe Gefühle. Wenn der Trauernde dann noch auf das Problem stößt, dass er den Verstorbenen nicht dort beerdigen kann, wo dieser wollte, ist das hart. Natürlich kann niemand deshalb von einem Ortsbürgermeister oder einem Gemeinderat verlangen, gegen Gesetze zu verstoßen und Ausnahmen zuzulassen. Doch die Bestattungskultur ist im Umbruch: Immer mehr Tote werden verbrannt und in einer Urne beigesetzt. In Bremen dürfen Aschen sogar im eigenen Garten verstreut werden. Die strikten Fristen des rheinland-pfälzischen Bestattungsgesetzes wirken da antiquiert, im Einzelfall unmenschlich. Die Diskussion über das Gesetz und seine Auslegung ist allerdings auf Landesebene zu führen, nicht im Ortsgemeinderat. Letzterer ist dennoch gefragt. Denn die bestehende Satzung lässt Menschen, die in Freudenburg eine Sargbestattung wünschen, keine Wahl. Sie müssen ein Reihengrab nehmen. Und dann kann es unter Umständen für den Partner eng werden. Bedenkt man insbesondere, dass Frauen im Schnitt fünf Jahre älter werden als ihre Ehemänner und bei der Hochzeit oft jünger sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie ihren Mann mehr als zehn Jahre überleben und ihre Urne nicht in seinem Grab bestattet werden kann. Der Rat sollte prüfen, ob hier eine größere Anzahl Betroffener zu erwarten ist. Falls ja, sollte gerade für Fälle mit knappen Fristverfehlungen, wie dem oben beschriebenen, Lösungen gesucht werden. Können Reihengräber doch in Familiengräber umgewandelt werden? Oder können notfalls ein paar Familiengräber geschaffen werden, um Särge umzubetten? Das würde die bisherigen Regelungen menschlicher machen. Angesichts des Trends zur Urnenbestattung dürfte sich das Problem in Zukunft jedoch erledigen. Urnen-Familiengräber gibt es in Freudenburg.
m.maier@volksfreund.de
Extra

Kein Einzelfall
Der Fall Pletsch ist nicht der einzige, bei dem die Frist für die Beisetzung einer Urne in einem Sarggrab in den vergangenen Jahren knapp verpasst wurde. Das bestätigt Ortsbürgermeister Bernd Gödert auf Nachfrage. Eine Fallzahl kann er nicht nennen. Er weist jedoch darauf hin, dass er bislang immer die Situation erklärt habe und damit das Thema erledigt gewesen sei.

Margot Pletsch weiß von einem Fall, in dem die 15-Liegefrist für die Urne gerade mal sechs Wochen unterschritten wurde. Sie kennt zudem eine Familie, die gleich vier Todesfälle in Abständen von mehr als zehn Jahren zu beklagen hatte. Die Folge: Die Familie hat vier Ruhestätten zu pflegen und muss sich bei Segnungen schier zerreißen. Auch von Äußerungen wie "Ich muss mich beeilen zu sterben, um es noch zu meinem Mann ins Grab zu schaffen" hat Pletsch eigenen Angaben zufolge gehört. Auf die Frage, ob ihm so etwas auch schon zu Ohren gekommen ist, sagt Gödert: "Zu dieser Frage möchte ich keine Stellungnahme abgeben, weil solche Inhalte meinem Pietätsverständnis nicht entsprechen." mai

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