Ein Jahr nach den Moselochsen - Was hat sich seit Jakob Strobel y Serras Kritik verändert?

Konz/Schweich/Saarburg/Frankfurt · Sind die "Folterkammern der gutbürgerlichen Küche" entlang der Mosel mittlerweile geschlossen? Oder hat der F.A.Z.-Autor Jakob Strobel y Serra etwa von seinen Thesen Abstand genommen? Der TV hat nachgehakt.

Konz/Schweich/Saarburg/Frankfurt. Eine "fantasielose Gastronomie" und ein "antiquierter Fremdenverkehr der 1970er Jahre": Der Journalist Jakob Strobel y Serra sparte in seinem Reisebericht im August 2013 nicht mit Worten der Geringschätzung gegenüber dem Fremdenverkehr im Moseltal. Der Text, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) erschien, sorgte für Aufregung bis hin zu blanker Empörung. Denn der Autor beklagte sich nicht nur über die moselländische Kochkunst sowie eine fantasielose Gastronomie. Zu guter Letzt bezeichnete er die Einheimischen als Moselochsen, da sie inmitten der weltberühmten Weinlagen zuweilen zum Biertrinken neigen. "Bier statt Wein - das ist eine Sünde und eine Schande."Von den Reaktionen überrascht


Besonders hart ging Strobel mit Cochem als "Schmuddelkind an Deutschlands schönstem Fluss" ins Gericht. Der Gastronomie in Bernkastel-Kues, " in der die altbackene Spießigkeit in ihren Kunstledersandalen noch in die lauschigsten Winkel trampelt", konnte der Autor ebenso wenig abgewinnen.
Mit seiner Einschätzung trat Strobel y Serra vielen Touristikern, Gastronomen und Politikern der Region, die von der Qualität des heimischen Fremdenverkehrs überzeugt sind, auf die Füße. Sein Reisebericht "Der Schönheit wohnt der Schrecken inne" brach eine Diskussion über die Tourismusqualität los, wie sie die Moselregion noch nicht erlebt hatte.

Ein Jahr nach der großen Debatte hakt der TV nach: Wie wurde der Dialog von den Beteiligten verdaut? Welche Spuren hat Strobels Streitschrift im Moseltal hinterlassen?

Helmut Reis, Beigeordneter des Kreises Trier-Saarburg und Vorsitzender des Touristikvereins Mehring: "Zunächst muss man feststellen, dass unser Landkreis in der Beurteilung von Strobel relativ gut weggekommen ist. Dennoch waren einige Bemerkungen unter der Gürtellinie, beispielsweise die über Radfahrer. Besonders an der Untermosel hat der Artikel sicherlich einige Leute aufgeweckt. Wir sind an der Ober- und Mittelmosel gut aufgestellt. Das war auch schon vor dem vieldiskutierten Zeitungsbericht so.
90 Prozent der Rückmeldungen von Gästen sind positiv, das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen. Wir haben viele Qualitätsbetriebe, super Restaurants, einen durchweg guten Service. Wenn Verbesserungsvorschläge kommen, dann darf man sie nicht ignorieren, sondern muss sie aufarbeiten. Wir sind an der Mosel auf einem guten Weg. Durch den Moselsteig wurde die Ferienregion weiter aufgewertet.

Jakob Strobel y Serra, F.A.Z.-Autor: "Ich muss gestehen, dass ich dann doch überrascht war, welche positiven Ansätze mein Text hervorgebracht hat. Veranstaltungen der Winzer, die den Moselwein würdiger vermarkten, sind direkte Reaktionen auf meinen Text und zeigen, dass sich in der Spitze etwas tut. Zudem habe ich seitdem von der Eröffnung mehrerer Lokale gehört, die eine gute Küche anbieten. Trotzdem sind Argumente wie "Investitionsstau" für mich nur Ausreden. Denn man kann bereits mit kleinen Eingriffen große Veränderungen bewirken. Es würde für den Anfang ja schon reichen, wenn Hotels und Restaurants mal die Hälfte ihrer Speisekarte umschreiben und damit ein Publikum anlocken, dass höherwertige Speisen schätzt.
Im gleichen Bundesland, in der Pfalz und an der Nahe, gibt es Regionen, die sich bewegen. Das ist Wahnsinn, was da passiert. Da macht es wirklich Spaß, unterwegs zu sein. Die Fahrradtouristen an der Mosel mit Zelt auf dem Gepäckträger, die sich eine Currywurst und ein Bier reinziehen, sind zwar auch ehrenwerte Menschen. Aber sie geben nichts aus. Die Masse bringt nichts. Deshalb sage ich: Erhöht die Wertschöpfung! Dann hat man auch genügend Investitionsspielräume. Es gibt Touristen, die wollen am Wochenende 500 Euro auf den Kopf hauen. Aber an der Mosel finden sie dafür nicht die passenden Angebote. Der Massentourismus in dieser Form wird sich irgendwann überlebt haben. Und dann geht nichts mehr."

Stefanie Koch von der Saar-Obermosel-Touristik: "Bei uns haben sich die Betriebe durch den Artikel nicht unbedingt angesprochen gefühlt. Zum einen hat Herr Strobel y Serra über die Mosel bis Trier geschrieben und nicht über die Verbandsgemeinden Konz und Saarburg. Zum andern haben wir hier aber auch nie diesen Massentourismus gehabt. Unsere Betriebe mussten sich von daher schon immer mehr anstrengen.
Natürlich gibt es auch bei uns Unternehmen, die stehen geblieben sind, die wir aber mitnehmen müssen wegen der großen Nachfrage nach Übernachtungsmöglichkeiten. Aber diese Betriebe sind eine kleine Minderheit, meist sind es diejenigen ohne Nachfolger. Ansonsten ist klar, dass Herr Strobel y Serra vieles überzogen und nur das Negative gesehen hat. Dabei machen wir viel Positives wie die Dachmarke Mosel. Viele Betriebe lassen sich klassifizieren. Auch durch den Moselsteig hat sich viel geändert. Das hat bei den Betrieben ein anderes Verständnis geschaffen für diese neue Zielgruppe."

Gregor Eibes, Landrat des Kreises Bernkastel-Wittlich: "Sie werden in keinem Tourismusgebiet die Verwirklichung solcher Ideale finden. Es wird immer konservative Besucher und Anbieter geben. Das begegnet einem überall - nicht nur an der Mosel. Ich bin der festen Überzeugung, dass Strobel die negative Seite des touristischen Angebots in seinem Text stark überzeichnet hat.
Natürlich sind in der Realität Ansätze seiner negativen Kritik zu finden. Aber flächendeckend ist das so an der Mosel nicht zu finden. Aber wir haben seine Kritik entgegengenommen, gut verdaut und diskutieren seitdem auch Dinge neu, die man vorher in einer Art Betriebsblindheit nicht gesehen hat. Wir haben immer mehr Qualitätsgastgeber, und dazu haben wir den Moselsteig eröffnet.
Alles, was sich seitdem getan hat, hätte sich auch ohne Strobels Kritik entwickelt. Er hat die positiven Dinge nur nicht wahrgenommen. Außerdem legen Fahrrad- und ebenso Wandertouristen, die wir jetzt hier neu begrüßen, sehr wohl Wert auf eine gepflegte Unterkunft und gutes Essen. Aber der Tourismus spielt sich nicht nur in so gehobenen Kategorien ab, wie Herr Strobel sie angesprochen hat. Bei Hotels im Drei-Sterne-Sektor mit gehobener Küche bis hin zu vier Sternen sind wir sehr gut vertreten."

Matthias Meierer, Winzer und Mitglied im Verein Moseljünger: "Es passiert schon einiges und die Entwicklung des touristischen Angebots ist immer im Gang, was Herr Strobel nur nicht gesehen hat. Aber seine Kritik hat auch neue Dinge hervorgebracht. Daraufhin haben wir ja die Veranstaltung Mythos-Mosel und weitere Events ins Leben gerufen, um den Moselwein besser zu vermarkten. Im März haben wir in Düsseldorf für den Moselwein geworben. Es kamen Leute aus aller Welt wie Amerikaner, Japaner, Schweizer und dazu viele Journalisten. Vor Ort gibt es immer mehr Restaurants, die mit den Winzern zusammenarbeiten und eine hochwertige Küche mit dazu passenden Weinen anbieten. Aber die Gastronomie muss sich auf der hochwertigen Schiene noch deutlich weiterentwickeln. Wir müssen weg vom Billigtourismus und Campingurlaubern, die auch nicht unbedingt zur Zielgruppe der Winzer zählen."

Ein Ehepaar aus Köln, das keinen Namen nennen möchte, Rad- und Campingurlauber: "Hier in Bernkastel-Kues ist das Angebot für uns ausreichend. Es muss ja auch nicht immer teuer sein. Wir wollen bloß eine Kleinigkeit essen und sind froh, dass die Gerichte auf den Speisekarten relativ günstig sind. Wenn es hier nur noch eine gehobene Küche gäbe, könnten sich das viele Leute ja gar nicht mehr leisten."

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