Ein Tastendruck lässt Tonnen gleiten

SERRIG. Hans-Joachim Wallrich und seine Kollegen bewegen täglich Massen – im wörtlichen Sinn. Denn neben Millionen von Litern Wasser "heben" die Männer von der Schleusenanlage der Staustufe Serrig tausende Tonnen schwere Frachtschiffe über die Schwelle zwischen Ober- und Unterlauf der Saar.

Nur langsam gleitet die "Futura" in die 190 mal zwölf Meter große Schleusenkammer - scheinbar schwerelos. Allenfalls die tiefe Lage des riesigen Schubverbands - so der Fachausdruck für aus mehreren Teilen bestehende Frachtschiffe - im Wasser zeugt von den 2870 Tonnen Stahlblech auf der Ladefläche. Aus Richtung Dillingen kommend, hat der Kapitän des Monstrums schier Unglaubliches vor. Genau 14,50 Meter Höhenunterschied muss er überwinden, bevor er seine Fahrt am Stromkilometer 18,3 - dort befindet sich die Staustufe Serrig - flussabwärts fortsetzen kann. Der Mann, der die Lösung des Problems parat hat, wartet in seinem Steuerstand darauf, das mächtige Schleusentor hinter der Futura schließen zu können.36 000 000 Liter Wasser

Was dann folgt, ist für Hans-Joachim Wallrich Routine: Ein kurzer, prüfender Blick aus dem Fenster, ein Tastendruck. Innerhalb von 20 Minuten verlassen rund 36 Millionen Liter Wasser die große Schleusenkammer. Gleichzeitig sinkt der Wasserspiegel und mit ihm das gigantische Schiff. Plötzlich zerreißt ein lautes Summen die Stille. Wallrich erklärt: "Der Niveauausgleich ist erreicht." Im Klartext: Das Schiff hat die 14,50 Meter überwunden. Erneut ein Tastendruck, und das untere Tor öffnet sich zur Ausfahrt. Nach der Prozedur nimmt Wallrich den Telefonhörer zur Hand, um den Kollegen in Kanzem über die Abfahrt der Futura zu informieren - schließlich muss der Nachbar wissen, was auf ihn zukommt und welche Schleuse er klar zu machen hat. "Kleine Boote oder Yachten werden nicht abgemeldet, die informieren den Schichtleiter per Funk über ihre Ankunft", erklärt der Mann am Pult. Sämtliche Fahrzeuge, die die Schleuse passieren, werden notiert. Seit 1989, zwei Jahre nach Inbetriebnahme, arbeitet Hans-Joachim Wallrich als Schichtleiter, so die offizielle Bezeichnung für den Schleusenwärter, an der Serriger Staustufe. Mit ihm sorgen fünf Kollegen in drei Schichten rund um die Uhr für den reibungslosen Ablauf des Verkehrs an der "Schwelle" zwischen Ober- und Unterlauf des Flusses. Rund 5500 Schleusenvorgänge haben die Beamten 2004 in den zwei Schleusenkammern registriert. Neben der großen Kammer steht noch eine weitere, 40 mal 6,75 Meter große für die "Pöttchen" zur Verfügung. Die Arbeit des Personals der Schleuse, die dem Wasserschifffahrtsamt Saarbrücken angegliedert ist, beschränkt sich jedoch nicht auf das Schleusen. "Wir sind auch zuständig für die Wasserführung mithilfe unserer Wehranlage", erklärt Wallrich. Steigt etwa bei Hochwasser der Saarpegel über den Normalstand, beschleunigen die Leute an der Staustufe den Abfluss des Wassers, um flussaufwärts Überschwemmungen zu verhindern. "Zudem sind wir im Fall von Havarien Ansprechpartner der Kapitäne und sorgen für Hilfe." Was die Arbeit der Beamten vom Steuerstand der Serriger Schleuse zu etwas Besonderem macht, ist neben der hohen Verantwortung die unvergleichlich schöne Aussicht auf das von üppigem Grün dominierte Saartal. Allenfalls die Tatsache, dass die Arbeit am Fluss selbst an Sonn- und Feiertagen nicht ruht, dürfte ein kleiner Wermutstropfen sein. Dennoch: "Mit der Zeit hat man sich auch daran gewöhnt", sagt Wallrich und schmunzelt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort