Ein bisschen Show gehört dazu

KONZ. Die meisten Menschen erleben das Christfest als Zeit der Besinnung. Für die Akteure der kirchlichen Weihnachtsgottesdienste bedeuten die Lichtertage Stress. Und doch sind sie nicht nur Belastung. Beispielweise in der evangelischen Kirche Konz-Karthaus

"Besinnen kann ich mich zuhause", sagt Kirsten Galla. Eine Stunde bevor der Familiengottesdienst in der evangelischen Kirche Konz-Karthaus beginnt, setzt bei der Pfarrerin und bei Küsterin Ursula Kopp das Stadium der Hektik ein.Eigentlich kein Anlass zur Weihnachtsfreude

Liederhefte müssen verteilt, Krippenfiguren aufgestellt werden. Vorne stapeln sich Styropor-Zacken, die sich im Gottesdienst zu einem Weihnachtsstern formieren sollen. Die Pfarrerin hat an diesem Tag keinerlei Anlass zur Festfreude. Ausgerechnet zum Heiligabend teilte ihr die evangelische Landeskirche mit, das sie für die junge Theologin nach dem 31. März 2006 vorläufig keine planmäßige Verwendung mehr habe. Spätestens um 15.45 Uhr, 15 Minuten vor Beginn, sind alle Plätze im kleinen Gotteshaus besetzt. Pfarrer Martin Jordan betätigt sich als Hausmeister, holt die Zange und reißt einen Haken von der Wand - dort, wo der Weihnachtsstern aufgeklebt werden soll. Mittlerweile hat sich Organistin Emilia Beresowskij eingespielt. Und dann, mitten in der professionellen Hektik, gibt es für die Akteure einen Moment der Ruhe, ein kurzes Gebet, bevor sie zu den Orgelklängen einziehen. Die Weihnachtsgeschichte klingt zunächst nicht gerade aufregend. Die Geburt, die Hirten und so weiter, das kennen auch die Kleinen, und auf entsprechend hohem Niveau bewegt sich auch der Geräuschpegel. Aber als Kirsten Galla von der Maus im Stall erzählt, von einem Mann, der den Stern über Bethlehem sah, von einer Frau, die den Familienstreit nicht mehr aushielt und die Krippe aufsuchte - da wird es in der Kirche ganz still. In den Bänken und auf Filzdecken direkt vor dem Altar sitzen die Kinder, hören und schauen, beteiligen sich, und am Ende bleibt das Gefühl einer rundum gelungenen Feier. Das ist der Auftakt zum Gottesdienstmarathon, der eine Stunde später mit der Vesper weitergeht. Wieder die voll besetzte Kirche, wieder durchaus profane Vorbereitungs in der Sakristei. Und wieder das kurze Gebet, das aus der Routine reißt. "Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht" liest Martin Jordan danach von der Kanzel. Er weiß, dass die meisten das ganze Jahr nicht in der Kirche waren und geht in die Offensive: "Ich nehme an, Sie sind hier, weil sie sich auf Gott einlassen wollen", sagt er. Und: "Sind sie bereit dazu?" Er predigt vom Licht in der Finsternis und lässt die Lampen ausschalten, um spürbar zu vermitteln, wovon er spricht. "Ein bisschen Show war das schon", sagt er später. Aber es war doch eindringlich und symbolstark. Und ein wenig Inszenierung gehörte nun mal zum Gottesdienst. Die Christmette in der Heiligen Nacht wird stiller. 35 Gläubige habe sich versammelt, hören Bibelworte und Lesungstexte. "Befreie uns aus dem Gefängnis der Vernunft" betet Martin Jordan. Ruhe, Besinnung. Wieder zurück in der kirchlichen Normalität

Mit dem Festgottesdienst am ersten Weihnachtstag biegen alle Beteiligten wieder ein in die Wege kirchlicher Normalität. Rund 40 Menschen haben sich versammelt, gehen zum heiligen Abendmahl, hören die Predigt über die Worte "Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen" aus dem Johannesbrief, singen die alten, lieben Lieder. Rund 600 Menschen sind zu den vier Gottesdiensten gekommen. Immerhin 20 Prozent der Gemeinde. Noch einmal also das Orgel-Nachspiel. Noch einmal der Handschlag für alle am Ausgang. "Das Presbyterium hat beschlossen, am 2. Weihnachtstag keinen Gottesdienst abzuhalten", sagt Martin Jordan. Erschöpft, nein, das sei er nicht. Aber ein Beiklang von Erleichterung bleibt unüberhörbar.

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