Ein schwimmendes Zuhause

Mit 135 Metern Länge, einer Breite von mehr als elf Metern und einer maximalen Tragfähigkeit von 4150 Tonnen ist die MS "Vigilia" eines der leistungsstärksten Transportschiffe auf Mosel und Saar. Mehr noch: Für ihre Besitzer, Ralf und Claudia Wirtz und ihre beiden Töchter ist sie ein schwimmendes Zuhause. In Saarburg stellten die Schifffahrts-Unternehmer ihren neuen Wohn- und Arbeitsplatz vor.

Saarburg. Ein paar Tage nur dauert die Reise vom saarländischen Dillingen bis zum größten Hafen Europas. Über Saar, Mosel und Rhein wird die MS "Vigilia" - lateinisch für "Nachtwache" - in Richtung Rotterdam unterwegs sein, beladen mit Kohle, Erz, Stahlplatten oder Containern. "Manchmal steuern wir auch das belgische Antwerpen an", erzählt Ralf Wirtz, Eigentümer und Kapitän der "Vigilia". Wie sein Vater ist er Binnenschiffer. Der Heimathafen des neuen Frachters ist Saarburg, dort hat die Familie seit rund zehn Jahren auch eine eigene Wohnung. "Aber eigentlich sind wir auf dem Schiff zu Hause", sagt Claudia Wirtz. Die schwimmende Wohnung wurde in Rumänien gebaut und schließlich Mitte Januar in Holland fertig gestellt.Zusammen mit ihren Töchtern Nicole und Marianne wohnt Familie Wirtz an Bord auf rund 168 Quadratmetern. Mit Wohn- und Esszimmer, drei Schlafzimmern, zwei Bädern und einer separaten Kajüte für einen Matrosen bietet das Schiff jeden Komfort, den die Familie auch an Land gewohnt ist. Nichts ist zu finden von dem spröden Charme der sonst so spartanisch erscheinenden Containerschiffe, die sich unter dem sonoren Grummeln des Schiffsdiesels Flussbiegung um Flussbiegung vorarbeiten. Der Fußboden ist aus Marmor, die Schränke wurden aus edlen Hölzern eigens angefertigt. Vom Großbildfernseher bis zur Stereoanlage muss keiner der Bewohner auf das an Land selbstverständliche Angebot an Unterhaltungselektronik verzichten.Als Schiffer geboren

Gerade auf dem Wasser, das betont die Familie immer wieder, komme nur sehr selten Langeweile auf, wie es von Außenstehenden oft vermutet werde. "Unser Arbeitstag beginnt morgens um vier Uhr und endet um 22 Uhr abends", erzählt Claudia Wirtz. Nachts liege das Schiff vor Anker, tagsüber surren die zwei Mächtigen Dieselaggregate im Maschinenraum. "Beide haben je 1350 Pferdestärken", sagt Ralf Wirtz und deutet auf einen Monitor. Er sitzt in seinem Kapitäns-Sessel auf der Brücke und kann mit einem Fingerzeig alle Funktionen des Schiffes per Touchscreen bedienen. Statt analoger Anzeigen flackern dutzende Monitore. "Neben dem Navigationssystem GPS haben wir auch zwei Radarsysteme an Bord", sagt der Kapitän. Ein großes Steuerrad und die hebelähnliche Fahrtanzeige sucht man in der Kommandozentrale der "Vigilia", die von oben wie diejenige eines Luxusliners erscheint, vergebens. Die Motoren kann Wirtz mit dem kleinen Finger bedienen: Ein leichter Zug am Joystick reicht dazu völlig aus. "Während der Fahrt und beim Anlegen kann ich mich auch immer über die Außenbordkameras orientieren." Ein Knopfdruck, und die Kameras zeigen eine andere Einstellung, etwa vom Maschinenraum oder an Achtern. Hinter der Kommandozentrale befindet sich ein massiver Schreibtisch mit Computer, der Arbeitsplatz des Kapitäns. Auf dem Tisch dahinter steht eine Espressomaschine. Selbst Fernsehen ist auf der Brücke kein Problem - ein großer Flachbildfernseher steht seitlich der vielen Kontrollmonitore.Auch die beiden Töchter Nicole (17) und Marianne (16) sind das Leben an Bord gewohnt. Schon vor der "Vigilia" lebten sie auf einem 135 Meter langen Transportschiff, auf dem ihre Eltern die Wasserstraßen durchkreuzten. "Drei Monate am Stück bin ich auf einem internatsartigen Schiffer-Berufskolleg", erzählt Nicole Wirtz. "Der Beruf des Schiffers ist in Deutschland zwar immer noch eine Männerdomäne, aber immer mehr Frauen entscheiden sich dafür", erzählt die junge Frau. "Ich kenne es nicht anders, als auf einem Schiff zu leben." Im Winter 2009 hat sie ihren Abschluss in der Tasche, danach kann sie vielleicht im Betrieb der Eltern einsteigen - und die Familientradition fortsetzen. Die "Vigilia" hat sie unter Aufsicht des Vaters schon einmal steuern dürfen. "Aber diesen Beruf kann man nicht wirklich erlernen", sagt sie selbstbewusst, "als Schiffer wird man geboren."

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