Einkaufstour in einer anderen Welt

LANGSUR. Lebensmittel, Buntstifte, Rasiercreme, ja sogar Arbeitskleidung: Auch wenn man bei Emmy Clasen nicht zwischen zehn verschiedenen Sorten Spaghetti wählen kann - in den braunen Holzregalen hinter der massigen Theke gibt es wohl alles, was im Haushalt je benötigt werden könnte.

"Mojen", brummt der Mann und geht zur Theke. Hinter ihm fällt die Ladentür mit einem leisen Klingeln ins Schloss. Mechanisch packt er ein paar Semmeln und einen Laib Brot in eine Papiertüte."Nimmste ne Bild?", fragt Emmy Clasen. "Musst‘ heute schaffen, gell?" Wieder brummt der Mann etwas, doch es klingt schon viel freundlicher.Bei Emmy Clasen gibt es morgens neben einer Brotzeit und der Zeitung auch noch ein freundliches Wort gratis: Wohl deshalb gibt es ihr Lebensmittelgeschäft noch - einen der letzten Tante-Emma-Läden.Wer die zwei Stufen zur Eingangstür hinaufsteigt, dem mag es scheinen, als trete er in eine andere Zeit, eine andere Welt. Der kleine Verkaufsraum sieht aus wie einer dieser Spielzeug-Kaufläden, nur dass es hier nach Nussecken duftet und das Kühlregal vor sich hin brummt. Pakete mit Mehl, Zucker und Nudeln stehen in den Regalen, unten am Boden leuchten grüne Waschmittelkartons.Unter der Decke hängen alte Reklametafeln aus Messing, die für Bier werben oder "Knorr Erbsenwurst, seit 1889". Über der Tür zum Hinterzimmer hängt eine Uhr, die mit ihrem 50er-Jahre-Design jeden Heinz-Erhardt-Film zieren könnte.Es ist kurz nach 7 Uhr, Emmy Clasen rückt die Körbe mit Gebäck zurecht, die neben der mechanischen Handwaage stehen. Jeden Tag um 6.30 Uhr macht sie ihren Laden auf. "Morgens ist immer viel Betrieb", sagt sie. Die meisten Kunden kommen aus dem Dorf und fahren auf dem Weg zur Arbeit bei ihr vorbei.Sie habe aber auch Stammkunden, die ihre Tageseinkäufe bei ihr erledigen, sagt Clasen. Wie die ältere Dame, die Milch, Brot und etwas Gemüse in ihren Korb legt. Emmy Clasen tippt die Preise ein, die Kasse öffnet sich mit einem blechernen Bimmeln, die Frau zählt das Wechselgeld nach. Noch ein kurzes Schwätzchen, dann kann das Tagwerk beginnen.Sie höre so einiges, was im Dorf vorgehe, sagt Emmy Clasen und lächelt vielsagend. "Aber das meiste vergesse ich eh wieder." Doch eben nicht alles. "Weißt Du, wer mir den Wein vor die Tür gestellt hat?", fragt eine Nachbarin, die gegenüber wohnt. Doch obwohl Clasen jeden Morgen ab fünf Uhr auf den Beinen ist, hat sie dieses Mal nichts mitbekommen.Vor mehr als 80 Jahren eröffneten ihre Eltern das Geschäft an der Wasserbilliger Straße. Schon als kleines Mädchen habe sie mitgeholfen, erzählt Emmy Clasen. Wann sie den Laden übernommen hat, weiß die 78-Jährige nicht mehr genau. Nur, dass früher "mehr Betrieb war als heute". Damals, als es noch keine Supermärkte gab. Dort kaufen auch viele ihrer Kunden ein, sagt Clasen: "Die kommen dann zu uns, wenn sie etwas vergessen haben."So richtig lohnend sei das Geschäft nicht mehr, sagt Clasen, "aber irgend eine Arbeit braucht man ja." Also steht sie täglich bis mittags im Laden.Doch Zeit für einen Mittagsschlaf bleibt kaum. Nachmittags fahre sie meist mit dem Auto nach Trier, um Besorgungen zu machen oder bringe den Laden in Ordnung oder das Haus, in dem sie mit ihrer älteren Schwester wohnt, erzählt Clasen.Ans Aufhören denkt sie nicht. "Wenn man dauernd mit Leuten zu tun hat, hält das jung", sagt sie - und ihr Aussehen verbietet jeden Widerspruch. In den letzten Jahren ist der Laden so etwas wie eine kleine Attraktion geworden. Diesen Sommer hat Clasen Post bekommen von einem Touristen-Pärchen, das bei ihr eingekauft und Fotos gemacht hat. Zwei Männer, die per Rad an der Sauer unterwegs waren, haben einen langen Brief geschrieben. Sie seien begeistert von dem "Kleinod" in Langsur: einen richtigen "Tante-Emmy-Laden".Am Dienstag in "Kreis - ganz nah": Die Katholische Jugend Butzweiler setzt sich seit 1990 für das rheinland-pfälzische Partnerland Ruanda ein.

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