Fotografin für Toleranz

WALDRACH. Die aus Waldrach stammende Marie-Louise Lichtenberg hat vor 35 Jahren ihren Heimatort verlassen, um Lehrerin zu werden – ein Beruf, den sie mit ganzem Herzen ausübt. Ein Zusammenstoß mit Skinheads hat ihr Leben verändert – und eine schöpferische Lawine ausgelöst.

Sie ist Hauptschullehrerin - mit Leib und Seele. Sie sorgte für Gesprächsstoff und brachte die Menschen zum Umdenken. Für die 54-jährige zweifache Mutter und Oma gibt es seit fast 30 Jahren nur eines: ihre Hauptschule in Wermelskirchen und ihre Schüler. Ein Erlebnis bei einem Schulausflug im Jahre 1990 sorgte bei Marie-Louise Lichtenberg für einen tiefgreifenden Einschnitt. "Skinheads jagten, verfolgten und prügelten meine ausländischen Schüler. Sie kamen bis ins Jugendheim. Dort gelang es mir, sie durch Anbrüllen und wildes Gestikulieren abzuschrecken," sagt die Lehrerin. Durch dieses Erlebnis und die Fragen der Kinder verschiedener Nationalitäten wurde ihr bewusst, dass sie etwas zu deren Schutz und einem besseren Verständnis untereinander tun müsse. Ihre erste Aktion, die Passanten in der Fußgängerzone sollten an den Handinnenflächen die Nationalität von 14 verschiedenen Kindern erkennen, fand riesigen Anklang und Anerkennung in den Medien. Das inspirierte Marie-Louise Lichtenberg, durch großformatige Fotografien zum Nachdenken anzuregen. Die Hauptschullehrerin und Künstlerin versteht es, hinter die Fassade zu blicken, das Unsichtbare und Unausgesprochene hervorzuholen und damit Verständnis für die unterschiedlichen Nationen zu erwecken. Vielfach und mit großen Erfolgen stellte sie ihre Werke in den verschiedensten Städten aus, unter anderem in der Trierer Tufa. Bis zum 15. Mai ist ihre Wanderausstellung "Menschliche Vielfalt - Der Mensch von Anfang an" im Haus der Volksarbeit, Eschenberger Anlage 21 in Frankfurt am Main zu sehen. In einem Porträt sind bei dieser Ausstellung auch Vincenz Meyer und Maria Schmotz aus Waldrach zu sehen. Die Künstlerin möchte auch gerne einmal im neuen Rathaus ausstellen: "Aus Waldrach habe ich mindestens zehn Mitbewohner in meiner Sammlung", sagt sie. In der Ausstellung sind jeweils 52 Farbfotografien (40 x 60 Zentimeter) von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, Herkunft, sozialer Stellung, Religion, Nationalität und unterschiedlichen Alters zu sehen. Mit ebenso viel Sensibilität wie Beharrlichkeit ist es der Künstlerin gelungen, auch schwierige, zurückhaltende, gar schüchterne Zeitgenossen für ihr Projekt zu gewinnen. Die Wermelskirchenerin und die Abgebildeten verbindet eine gemeinsame Idee: Die menschliche Vielfalt als Toleranzangebot zu zeigen. Für ihr Projekt hat die Fotografin weit über 100 Menschen aus aller Welt fotografiert. Ein neugeborenes Kind ist ebenso dabei wie Menschen, die sich am Ende ihres Lebens befinden. Kinder aus Deutschland, Mauretanien, China, Flüchtlingskinder. Mohsen, der als 14-jähriger Junge 1989 allein aus dem Iran nach Deutschland kam, um nicht in den Krieg geschickt zu werden, oder Günter Grass befinden sich unter den Fotografierten. Es fehlt weder der muslimische Vorbeter aus Remscheid noch die Bäuerin aus dem Trierer Land. Marie-Louise Lichtenberg wünscht sich, dass die Nationen sich durch ihre Ausstellung, die vielleicht auch einmal im Ruwertal zu sehen sein wird, gegenseitig kennen und verstehen lernen.

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