Galgenfrist für Draisinen-Projekt

MORBACH/HERMESKEIL. Vor 100 Jahren fuhren die ersten Züge auf der Hunsrückbahn. Heute steht nicht nur der Bahnverkehr, sondern auch eine alternative Nutzung auf der Kippe. Die Kreise Bernkastel-Wittlich und Trier-Saarburg haben nun den Streckensicherungsvertrag verlängert und erhalten damit die Option, dort Draisinen als touristische Attraktion fahren zu lassen.

Auf der Hunsrückbahn-Strecke gibt es seit 1976 keinen regelmäßigen Personen-Nahverkehr mehr. Der Güterverkehr wurde vor drei Jahren endgültig eingestellt. Neubelebungen durch die Bahngesellschaft Waldhof AG (BGW) aus Mannheim im Jahre 1998, die wieder Holztransporte aus den Morbacher Sägewerken auf die Schienen bringen wollte, schlugen genauso fehl, wie 2002 der Versuch der Rheinhessischen Eisenbahn, mit ihrem historischen Esslinger Triebwagen die landschaftlich sehr reizvolle Strecke regelmäßig mit Touristen zu befahren. Am Ostersonntag 2003, als ein "Esslinger Triebwagen" auf dem Bahnhof in Morbach einlaufen sollte, war kein Mensch weit und breit zu sehen. Lediglich ein Plakat stand an den Bahngleisen, auf dem oben zu lesen war: "Hunsrückbahn fährt wieder!" und direkt darunter: "Osterfahrt muss leider ausfallen!" Irmgard Bilzer aus Morbach und Gaby Sadowski aus Duisburg erinnern sich: "Wir wollten nur mal wieder einen Zug auf dem Morbacher Bahnhof sehen." Sie waren enttäuscht, ebenso wie viele Eisenbahn-Freunde an den Bahnhöfen in Langenlonsheim, Stromberg, Ellern, Simmern, Kirchberg und Büchenbeuren, als sie sahen, dass die angekündigte Osterfahrt kurzfristig und überraschend abgesagt wurde. Wie von Wolfgang Kissel, dem Veranstalter und Inhaber der Rheinhessischen Eisenbahn zu erfahren war, hat die Deutsche Bundesbahn als Betreiber ihm erst am Gründonnerstag mitgeteilt, dass sie die Strecke von Simmern bis nach Morbach wegen Streckenmängeln gesperrt hat.Bahn sperrt Strecke wegen Mängeln

In der Zwischenzeit beabsichtigt die Bahn, die Strecke zwischen Stromberg und Morbach stillzulegen. In diesem Zusammenhang war die Strecke auch zum Verkauf ausgeschrieben. Doch Verhandlungen mit fünf Interessenten blieben ergebnislos. Wegen Verfahrensfehlern hat das Eisenbahn-Bundesamt die Genehmigung zur Stilllegung versagt. Deshalb wird die DB Netz AG demnächst die Strecke erneut zum Verkauf ausschreiben. Das Land hat sich in der Vergangenheit zwar stets dafür stark gemacht, dass der Schienenverkehr zum Flughafen Hahn reaktiviert wird, doch diese Pläne für die Reaktivierung rücken angesichts der Finanzknappheit des Landes in weite Ferne. Zwischen Morbach und Hermeskeil ist von Zugfahrten schon längst keine Rede mehr. Dort befasst man sich seit einiger Zeit mit einer Alternativnutzung der Strecke. Eine Draisinenbahn könnte - ähnlich wie am Glan - Touristen locken. Studenten der Technischen Universität Kaiserslautern beschäftigen sich derzeit zwei Semester lang mit den Entwicklungsmöglichkeiten der Hunsrückbahn. Eine Draisinenbahn auf der Strecke Morbach - Hermeskeil halten sie für machbar. Doch das zarte Pflänzchen "Draisinenprojekt" ist gefährdet.Höhe des Risikos ist strittig

Denn das Land Rheinland-Pfalz will den Streckensicherungsvertrag mit der DB Netz AG im September vorzeitig kündigen. Der Grund: wiederum Geldmangel. Mainz fürchtet besonders mit Blick auf die Viadukte bei Hoxel, Deuselbach und Geisfeld das finanzielle Risiko. Ist der Vertrag erst gekündigt, kann die Deutsche Bahn theoretisch jederzeit die Gleise entfernen. Es gibt ein kleines Schlupfloch: Wenn die beteiligten Kreise allein die Kosten für die Verkehrssicherungspflicht übernehmen, sei das Land bereit, die Strecke in der Rahmenvereinbarung zu belassen, heißt es aus Mainz. Mit diesem Thema hat sich bereits der Kreisausschuss Trier-Saarburg befasst. Dort ist man grundsätzlich bereit, vorläufig für das Land in die Bresche zu springen, bis das Ergebnis der Machbarkeitsstudie vorliegt. Und auch der Kreisausschuss Wittlich hat am Montag entschieden, den Streckensicherungsvertrag für die Strecke Morbach-Hermeskeil bis Ende Juni 2005 zu verlängern. Bis zu diesem Zeitpunkt soll die Wirtschaftlichkeits-Untersuchung der Uni Kaiserslautern abgeschlossen sein. Für die Streckensicherung rechnen die Kreise mit Kosten von maximal 7160 Euro für 2004 und 6655 Euro für 2005. 59,4 Prozent davon trägt der Kreis Bernkastel-Wittlich, den Rest der Kreis Trier-Saarburg. Wie groß das Risiko für die Kreise ist, ist unklar. Während das Land sie offenbar für groß genug hält, um sich vorzeitig aus der Affäre zu ziehen, sieht man das beispielsweise in Thalfang völlig anders. Das Haftungsrisiko hält Hans-Dieter Dellwo für "exorbitant gering". Der Bürgermeister der VG Thalfang bezieht sich auf ein Gutachten, laut dem Strecke und Brücken sich in einem hervorragenden Zustand befinden. Er hofft wie seine Kollegen aus Morbach und Hermeskeil auf die Draisinenlösung.

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