Geschichte ist Leidenschaft

TAWERN. Im Winter ist Gerhard Michel hauptsächlich im Bastelkeller zu finden. Sein Hobby ist das Schnitzen, und Geschichte ist seine Leidenschaft. In Tawern fühlt sich der 67-Jährige zu Hause – und das seit inzwischen fast vier Jahrzehnten.

Wenn es draußen bitter kalt ist und schon früh die Dunkelheit hereinbricht, kommt es nicht selten vor, dass aus dem Keller im Haus von Gerhard Michel rhythmische Klopfgeräusche nach oben dringen - für Gattin Anneliese ein deutliches Zeichen, dass in den folgenden Stunden mit dem Ehemann im Wohnzimmer kaum zu rechnen ist. Als sich der ehemalige leitende Versicherungsangestellte vor fünf Jahren zur Ruhe setzte, war er bereits sicher, dass von Ruhestand keine Rede sein würde. Während eines Urlaubs in Oberammergau wurde sein Interesse an einem neuen Hobby geweckt - der Holzschnitzerei. Michels Begeisterung für die Kunstwerke der weltberühmten Herrgottschnitzer mündete in der Idee, sich selbst daran zu versuchen. Seither hat er mehrere Kurse besucht. Inzwischen ziert eine stattliche Anzahl eigener Plastiken das ganze Haus. Die Interessen des 67-Jährigen beschränken sich allerdings nicht auf das Bearbeiten von Holzklötzen. Geschichte - unter anderem die des Römischen Reichs - ist die Leidenschaft von Gerhard Michel. Er ist Mitbegründer des 1997 ins Leben gerufenen Vereins "Römisches Tawern" und seit Januar dessen Vorsitzender. Als solcher veranstaltet er beispielsweise Führungen durch den Tawerner Tempelbezirk. Nicht zuletzt der historische Aspekt sei es, der den Ort und das Umland für ihn interessant mache, betont er, und fügt hinzu: "Auch die Landschaft und die Menschen haben ihren besonderen Reiz." Gerhard Michel sagt, er fühle sich in seinem Heimatort wohl, wenngleich es anfangs gewisse "Startschwierigkeiten" gegeben habe. 1966 zogen die Michels von Warstein im Sauerland nach Tawern. "Mir fiel damals auf, dass sich die Leute hier im Vergleich zu anderen Gegenden Deutschlands eher reserviert Fremden gegenüber zeigen." Grund sei wohl eine Art natürliches Misstrauen. "Hat man sich jedoch näher kennen gelernt, kann man wunderbare Freundschaften schließen." Entscheidend sei dabei, dass man den Kontakt suche und sich selbst nicht verschließe. Verschlossen hat sich das Ehepaar nie. Neben seinem Job als Vorsitzender des Vereins "Römisches Tawern" ist Gerhard Michel inaktives Mitglied im Musikverein. Auch den Sportverein unterstützt er durch Beitragszahlungen. Gattin Anneliese hat sich der örtlichen Frauengemeinschaft angeschlossen. "Vereine haben eine große Bedeutung für ein Dorf", betont der 67-Jährige. "Ohne sie ist eine Gemeinde quasi tot." Mit insgesamt 17 Vereinen und Interessensgruppen sei Tawern glücklicherweise gut bestückt. Schlecht bestückt sei der Ort hingegen mit Lebensmittelgeschäften. Genauer: "Es gibt überhaupt keins." Auch den altbewährten Tante-Emma-Läden komme im Hinblick auf den sozialen Aspekt eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Mit ihrem Verschwinden gehe ein wichtiger Treffpunkt für die Menschen aus dem Dorf verloren. Mit dem Verschwinden der Michels aus Tawern sei allerdings nicht zu rechnen, denn: "Uns gefällt's."

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