Gut gelaunter Alleskönner

KORDEL. Die wieder auf Normalniveau gesunkenen Temperaturen sind eine Wohltat. Auch die Bademeister freuen sich: Nach den verlängerten Arbeitszeiten während der Hitzeperiode stehen ihnen jetzt wieder freie Nachmittage ins Haus. Der TV hat Schwimm-Meister Dieter Geisen bei seiner Frühschicht im Kylltalbad Kordel begleitet.

Zum ersten Mal nach wochenlanger brütender Hitze ist es morgens frisch. Das Thermometer zeigt nur 13 Grad Celsius, als Dieter Geisen, Schwimm-Meister im Kylltalbad Kordel um sieben Uhr die Türen des Freibades öffnet, um die ersten Badegäste einzulassen.Die Luft im Kylltalbad ist frisch, fast wie in den Bergen. Das Panorama erinnert an den Schwarzwald. Leise klingt Radiomusik über das Wasser. Zu dieser Tageszeit kommen überwiegend Stammgäste. Viele werfen einen Blick in das Schwimm-Meisterzimmer.Drei Mal täglich wird das Wasser kontrolliert

"Morgen Dieter", grüßt ein Mann und reicht eine Zeitung durch das geöffnete Fenster. Doch Geisen hat keine Zeit, um einen Blick in das Blatt zu werfen. Zuerst müssen Wasserqualität und -temperatur überprüft werden. Während er auf die Auswertung der Wasserproben wartet, lehnt sich Geisen zurück: "Das Wasser muss so sein, wie ich es auch mag."Ein kurzes Piepsen unterbricht seine Ausführungen, das Ergebnis ist da. Es ist alles in Ordnung. Der Schwimmmeister trägt es in einen Übersichtsbogen ein: "Diese Kontrolle wird dreimal täglich durchgeführt: Chlorgehalt, pH-Wert und Temperatur."Geisen beginnt seinen morgendlichen Rundgang. Beim Planschbecken trifft er auf seinen Kollegen Hans Melchior. Der steht in Gummistiefeln im leeren Kinderbecken und spritzt mit einem Schlauch den Boden ab. "Die Trockenheit hat so viele Blätter ins Becken getrieben, dass sich das Herausfischen nicht mehr lohnt", erklärt Dieter Geisen. Frühmorgens ist eine Grundreinigung möglich, da dann noch keine Kinder im Bad sind.Eigentlich hätte Melchior Spätschicht, doch die Reinigung zusätzlich zu den täglich anfallenden Arbeiten wäre für einen alleine nicht zu schaffen.Im Nichtschwimmerbecken drehen drei ältere Herrschaften ihre Runden. Geisen wechselt ein paar Worte mit ihnen. Der Schwimmmeister ist immer zu einem Plausch aufgelegt - und zu Scherzen. Im Schwimmerbecken entdeckt er Bekannte. "Bitte beim Schwimmen nicht sprechen. Danke", ruft er ihnen zu, und der Schalk blitzt aus seinen Augen.Zurück in seinem Räumchen gönnt sich Geisen einen Kaffee. Kollege Melchior kehrt ebenfalls ein. Wassertropfen perlen von seinen Stiefeln auf den Boden. "Ich glaube, es ist für diese Saison vorbei", stellt er mit einem Blick auf die geringe Zahl der Schwimmer fest. Am 10. August besuchten über 2100 Leute das Bad: Höchstmarke für diese Saison. Der Schwimmmeister urteilt: "Gestern waren es knapp über 600 - heute wird es ähnlich sein."Die Kaffeetasse ist noch nicht leer, da bewässert Geisen schon die Blumenkübel entlang der Treppen und redet dabei unablässig mit den Badegästen. Hauptgesprächsthema: das Wetter. Die Temperatur beläuft sich auf knapp 25 Grad, allmählich bescheint die Sonne das Bad. Genau richtig, um Frühsport zu treiben.Frühsport gleicht auch die Arbeit von Dieter Geisen: Schläuche einrollen und wegtragen, Treppen laufen, um alle Becken im Blickfeld zu haben und zwischendurch Anfragen der Badegäste nach Badeliegen und Tauchringen erfüllen. Geisen bleibt gelassen. "Aufgrund der guten Wetterlage bleibt das Kylltalbad bis Heiligabend geöffnet", sagt er über Mikrofon durch. Das Gelächter der Gäste ist groß. Sie mögen den Schwimmmeister und seine Sprüche. Zur Stärkung gönnt sich der 45-Jährige wie jeden Tag eine Banane und einen weiteren Kaffee. Während des zweiten Frühstücks gesellt sich sein Vater zu ihm. Die Verschnaufpause ist nur kurz: Geisen senior geht schwimmen, der Junior steigt hinab in den Keller zum "Herzstück" des Bades.Siebentage-Woche und Urlaubssperre

Dort stehen vier große Filter und zahlreiche Pumpen. Für Laien ist das Gewirr aus Ventilen, Rohren, Hebeln und Anzeigetafeln schwer zu durchschauen. Doch Dieter Geisen betont: "Es ist übersichtlich. In anderen, größeren Bädern ist das nicht so."Pro Tag steigt Geisen bis zu zehn Mal hinab in den Keller. Wenn er alleine Dienst hat, ist das schwierig, da das Becken nicht unbeaufsichtigt bleiben soll. "Dann kann ich nur mal kurz zehn Minuten runter und muss sofort zurück ans Becken", sagt Geisen.An heißen Tagen hilft nachmittags ein Rettungsschwimmer der Wasserwacht aus. Doch eine echte Lösung ist das nicht. Ein weiterer Schwimmmeister wäre eine Alternative - oder ein Auszubildender. Doch während seiner 25-jährigen Dienstzeit hatte Dieter Geisen erst einen Azubi. "Die denken: Im Sommer bin ich draußen, werde braun und kann Frauen gucken", erläutert Geisen. Aber dann werde ihnen klar, was der Beruf wirklich bedeute: Siebentage-Woche, Urlaubssperre von März bis September und zahlreiche Überstunden.Zwar sei im Winter viel freie Zeit, der Sommer dafür um so anstrengender. Geisen: "Ich habe zehn Kilo abgenommen." Die Saison beginnt nicht erst mit Öffnung des Schwimmbades. Der Schwimmmeister muss bereits vorher die Becken reinigen, die Pflanzen zurechtstutzen und überprüfen, ob alle Geräte ihren Dienst tun. "Wir sind Gärtner, Kloputzer, Techniker, Schwimmmeister, Animateure, Kassierer und Ärzte in einem", stellt Geisen fest.Zur Mittagszeit meldet das Thermometer 24 Grad Celsius. Wasser- und Außentemperatur haben sich angeglichen. Geisen tauscht die legere Jogginghose gegen die offizielle "Uniform": blaue Shorts, weißes T-Shirt mit der Aufschrift "Kylltalbad Kordel" und Badeschlappen. Rund 300 Gäste tummeln sich auf den Wiesen und im Wasser. Ein paar haben es sich auf der Terrasse der Cafeteria gemütlich gemacht. Ab jetzt gilt es für Dieter Geisen und Hans Melchior, besonders wachsam zu sein. In ihrer bisherigen Dienstzeit mussten sie nur zwei oder drei Mal ins Wasser springen. Gedanken über "was wäre, wenn?" bleiben. Geisen: "Ich glaube, wenn ein Kind ertrinken würde, würde ich aufhören."Um 14 Uhr kommt die Ablösung für Dieter Geisen: Anatol, ein Rettungsschwimmer der Wasserwacht Trier. Geisen tauscht die Badeschlappen gegen Turnschuhe, steigt auf sein Motorrad und braust in seinen ersten freien Nachmittag seit mehreren Wochen.

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