"Haarscharf davongekommen"

TAWERN. Uta Michel aus Tawern hat das Bombenattentat von Sharm El Sheikh in Ägypten vor drei Wochen aus nächster Nähe miterlebt. Sie saß mit ihrer Freundin und einem ägyptischen Freund in einem Café, als auf der gegenüberliegenden Seite im Hotel Ghazala eine Bombe explodierte. Im Gespräch mit dem TV schildert sie ihre Eindrücke.

Gebräunt sitzt Uta Michel auf dem Sofa ihrer Wohnung in Tawern. Die Koffer sind ausgepackt, die ersten Filme entwickelt. Der Berufsalltag hat die 43-Jährige wieder eingefangen. Eine Woche Urlaub liegt hinter der Tawernerin - ein Urlaub, den sie nie vergessen wird. Am 21. Juli ist Uta Michel mit ihren beiden Töchtern Mona (9) und Leila (13) und ihrer besten Freundin in den Urlaub nach Ägypten gestartet. Kein Neuland für die 43-Jährige, die sieben Jahre in Kairo gelebt hat, Arabisch spricht und dort mit einem Ägypter verheiratet war. "Ich bin absoluter Ägypten-Fan und fliege jedes Jahr in dieses Land", sagt sie. In den bei in- und ausländischen Touristen beliebten Badeort Sharm El Sheikh am Roten Meer hat es Michel zum zweiten Mal gezogen. Dass dieses Mal alles anders verlaufen und sie sich mit ihrer Familie und der Freundin einer derartigen Gefahr aussetzen würde, konnte die Tawernerin bei ihrer Ankunft nicht ahnen. Untergebracht waren die vier im Hotel "Ghazala" - glücklicherweise im geschützt liegenden Teil des aus zwei Komplexen bestehenden Hotels. "Wir hatten im ‚Ghazala Beach' gebucht, direkt am Meer", erzählt Michel. "Gebombt wurde im ‚Ghazala Gardens', dem Haus, das unmittelbar an der Hauptstraße liegt." Der erste Urlaubstag lag gerade hinter ihnen, als sich Uta Michel und ihre Freundin am Abend mit einem ägyptischen Bekannten draußen in einem Café trafen. "Ich hatte gerade überlegt, zurück ins Hotel zu gehen, mich dann aber doch entschlossen, noch ein Bier zu trinken", erzählt Michel. Zehn Minuten später, kurz nach ein Uhr ägyptischer Zeit, habe die Freundin einen dumpfen Knall gehört - der sei aus Richtung des Einkaufscenters gekommen, das einige Meter entfernt lag und auch getroffen wurde."Wie eine Fehlzündung"

"Ich habe das gar nicht richtig wahrgenommen, weil man in Ägypten permanent eine Geräuschkulisse um sich herum hat. Das hörte sich an wie eine Fehlzündung bei einem Auto", sagt Michel. Kurz darauf habe es auf der gegenüber liegenden Straßenseite heftig geknallt. "Dort, wo bis dahin das Hotel stand, war es schlagartig dunkel. Wir haben nur noch Rauch gesehen. Glas, Steine und Metall sind umhergeflogen. Um uns herum waren nur noch schreiende Menschen. Wir sind aufgesprungen und losgelaufen", erzählt sie. Keiner habe zu diesem Zeitpunkt gewusst, was passiert war. "Es stand nur sofort jede Menge Militär auf der Straße, alles wurde hermetisch abgeriegelt." Erst nach etwa zehn Minuten habe sie sich den Weg freischlagen können zum Hotel, zu ihren Kindern. "Meiner ältesten Tochter hatte ich in der Zwischenzeit über Handy eine SMS geschickt, dass sich beide Mädchen anziehen und an die Rezeption gehen sollen." Dort habe sie beide Töchter unversehrt angetroffen. "Sie hatten einen riesigen Schrecken bekommen, weil sie den Knall gehört haben und durch die Druckwelle die Tür unseres Zimmers aufgeflogen war", sagt die Mutter. "Aber sonst waren sie Gott sei Dank okay." Die ganze Nacht hätten sie und viele der übrigen Gäste und Passanten in der Hotelhalle verbracht und auf Neuigkeiten gewartet. "Von einem Ägypter habe ich etwa eine halbe Stunde nach dem Anschlag in der Hotelhalle erfahren, was passiert war. Der hatte das von seinem Bruder in London gehört." Einige Hotelgäste seien mit Koffern aus der Halle gestürmt. "Wie die wegkommen wollten, ist mir ein Rätsel. Die Hauptstraße war ja abgeriegelt." Sie selbst habe keine Sekunde daran gedacht, die Heimreise anzutreten. "Wir wären ja gar nicht rausgekommen. Außerdem war ich mir sicher, dass nicht noch etwas passieren würde." Gegen 4.30 Uhr hätten sich die Frauen ins Bett gelegt. "Wir haben uns zu viert in ein Bett gekauert, schlafen konnte ich ohnehin nicht." Am Tag darauf hätten sie sich das zerbombte Hotel und das Shopping-Center angesehen. "In diesem Moment hatte ich nur das Gefühl, wirklich haarscharf davongekommen zu sein. Wäre ich wie geplant zehn Minuten früher aufgestanden aus dem Café, hätte es mich erwischt." Den Urlaub haben die vier fortgesetzt, wenn auch mit gemischten Gefühlen. "Im Hotel war die Stimmung sehr bedrückt. 20 Mitarbeiter des ‚Ghazala Gardens' sind bei dem Attentat umgekommen. Den Kollegen hat man angemerkt, dass ihnen nicht zum Arbeiten zu Mute war." Sie selbst habe das schreckliche Erlebnis ganz gut verkraftet: "Es ist nicht so, dass mich das ständig einholt." Mit ihren Kindern habe sie sich noch nicht in Ruhe austauschen können: "Sie sind direkt im Anschluss an Ägypten in ein Feriencamp in die Schweiz gefahren." Für Michel steht fest: "Ich fliege im Herbst wieder nach Sharm El Sheikh. Ich habe das Bedürfnis, mit etwas Abstand noch einmal das Geschehene Revue passieren zu lassen."

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