Integration statt Multi-Kulti

SAARBURG. Europa braucht Zuwanderung – dessen sind die Demografen sicher. Doch kann eine Gesellschaft mit unterschiedlichen kulturellen Wurzeln überhaupt funktionieren – und falls ja, welche Voraussetzungen sind zu erfüllen? Diese und andere Fragen waren Gegenstand eines Vortrags von Bassam Tibi in der Stadthalle Saarburg.

Die gewalttätigen Ausschreitungen hauptsächlich arabischstämmiger Jugendlicher in Paris und anderen französischen Städten haben auch in Deutschland die Zuwanderungsdebatte wieder angefacht. Fragen wie "Wo liegen die Ursachen?" oder "Ist das auch bei uns möglich?" machten die Runde. Integration als Herausforderung

Für den Islamkenner und Buchautor Bassam Tibi, Leiter der Abteilung für Internationale Beziehungen an der Universität Göttingen, steht fest: "Wenn es hierzulande nicht gelingt, Immigranten gesellschaftlich zu integrieren, ist es womöglich nur eine Frage der Zeit, bis es auch in Deutschland so weit ist." Was aber bedeutet Integration und was ist zu tun, wenn sie gelingen soll? Erklärungen lieferte Tibi in seinem Vortrag mit dem Titel "Die Antwort auf die fundamentalistische Herausforderung - Zuwanderung auf dem Prüfstand." Der Geburtenrückgang in den vergangenen Jahrzehnten und die damit verbundene demografische Entwicklung haben dazu geführt, dass Europa künftig verstärkt auf Zuwanderer angewiesen ist. Soll ein friedliches Zusammenleben funktionieren, müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Das Schlagwort in diesem Zusammenhang lautet: Integration. Was aber ist darunter zu verstehen? Ist es die Sprache des neuen Heimatlandes, die der Zuwanderer beherrschen muss, oder bereits der deutsche Pass, der ihn zum Einheimischen macht? "Natürlich gehört eine Einbürgerung dazu, doch einzig Pass und Sprachkenntnisse reichen nicht aus", betonte Tibi. Enorm wichtig sei die wirtschaftliche Unabhängigkeit, also ein Arbeitsplatz, ohne den eine Integration nahezu unmöglich sei. Eine nicht weniger große Rolle spiele die kulturelle Eingliederung. Konkret heiße das: "Wer in Deutschland oder in anderen europäischen Ländern leben will, muss sich zu den Basiswerten einer Demokratie - beispielsweise die Trennung von Religion und Politik sowie Meinungsfreiheit - und zu den gesellschaftlichen Normen bekennen." Eine multikulturelle Gesellschaft sei entgegen anders lautender Meinungen nicht funktionsfähig. "Man muss sich mit einem Land identifizieren können, also das Gefühl haben, Mitglied der Gesellschaft zu sein." Wie sieht es derzeit in Deutschland aus? Dazu Bassam Tibi: "Drei bis fünf Prozent der hier lebenden arabischstämmigen Zuwanderer sind Fundamentalisten." Das sei Besorgnis erregend und Indiz für eine gescheiterte Integration. Das "Saarburger Stadtgespräch" in der Stadthalle mit Bassam Tibi war der Auftakt eines Veranstaltungsreigens der Volkshochschule Saarburg in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung. Wechselnde Referenten sollen künftig wichtige gesellschaftspolitische Themen in einer breiten Öffentlichkeit thematisieren und zur Diskussion anregen.

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