Klingende Lebensfreude

KONZ. Sie spielten Kompositionen des 14. bis 17. Jahrhunderts. Aber die Vier vom Ensemble "Duchesse de Bourgogne" musizierten in der evangelischen Kirche Konz-Karthaus so frei und lebendig, dass das Alte gegenwärtig wurde.

Sehr repräsentativ ist das Szenario nicht, aber das hat etwas zu tun mit Musik und Musizieren. Vor den Altarstufen der evangelischen Kirche Konz-Karthaus stehen vier einfache Metall-Notenständer, dahinter Stühle, die die Musiker von der Empore geholt haben. Und davor, ziemlich beliebig aufgestellt, die Instrumente. Renaissance-Föten, Laute, Gitarre, Gambe, zwei Krummhörner, Trommeln, Tamburin. Das Ensemble "Duchesse de Bourgogne" hat sich auf die Musik vom 14. bis zum frühen 17. Jahrhundert spezialisiert. Das ist eine enorme Spannweite, nicht nur historisch, sondern auch emotional. Sie reichte in diesem Konzert von einem schwermütigen Chanson des Paolo da Firenze (1355-1436) bis zum brillant-beschwingten Tanzlied von Guilio Caccini (1550-1618), der gemeinsam mit Jacopo Peri die erste Oper der Musikgeschichte schrieb. Heitere Augenblickskunst war darunter, aber auch große Musik, die damals berühmt war und dann vom 20. Jahrhundert wieder entdeckt wurde. Wer wird nicht berührt von der wunderbar ausgewogenen, herben Melancholie in Francesco Landinis "Gram piant‘ agli occhi" oder der zerbrechlichen Noblesse von Guillaume Dufays Petrarca-Vertonung "Vergine bella"?Tanz durch den Kirchenraum

Ellen Höfer, Claudia Demerath, Marcus Wesche und Walter Friehs beherrschen die Stile, vermeiden vordergründige Brillanz, beschränken sich weise auf ihr künstlerisches Potenzial und meiden überdrehte Virtuosität. Aber sie musizieren mit einer mitreißenden Frische und Spontaneität. Sie wechseln die Instrumente, singen allein, zu zweit, zu dritt, tanzen musizierend durch den gut besuchten Kirchenraum. Und Ellen Höfers warmer, flexibler Mezzosopran vermittelt beides: die Tiefe der großen Chansons und den lebensfrohen Schwung der Tanzlieder. Immer echt und immer spontan. Daraus erklärt sich wohl auch die malerische Unordnung der Szenerie in der Konzer Kirche: Die vier vom "Duchesse"-Ensemble leben aus dieser Musik. Mögen die Kompositionen historisch sein, sie klingen, als wären sie von heute. Sie strahlen Empfindungstiefe, Gedankenreichtum und Naturnähe aus. Und vor allem eine Lebensfreude, die ansteckt. Übrigens: "Duchesse de Bourgogne", Herzogin von Burgund, bezieht sich auf Maria von Burgund, die Tochter Karls des Kühnen und Ehefrau des Habsburgers Maximilian. Aber Walter Friehs verrät: Eigentlich war eine Lütticher Biermarke gleichen Namens Anstoß für den Ensembletitel. Da sage noch jemand, Bier habe mit Kultur nichts zu tun.

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