Kreativität im alten Raiffeisenlager

IGEL. Ob Möbel, Arztpraxen, Geschäftseinrichtungen oder eine komplette Altbau-Umgestaltung: Seit 20 Jahren bemühen sich in Igel zwei Innenarchitekten, Dinge des täglichen Gebrauchs in die "richtige Form" zu bringen.

Wer sich unter einem Design-Studio einen avantgardistischen Bau mit Vollverglasung und kühnen Formen vorgestellt hat, wird enttäuscht: Die Designwerkstatt von Florian Schausbreitner und Wolfgang Schlicker befindet sich im ehemaligen Raiffeisen-Lager an der Igeler Bahnhofstraße – ein schmuckloser Bau mit der typischen Lagerhaus-Laderampe an der Längsfront. Dass dort vor 20 Jahren vier junge Absolventen der Fachhochschule Trier Einzug hielten, ist mehr einem Zufall zu verdanken. Schausbreitner: "Ich hatte nach dem Studium eine Aushilfsarbeit in Igel angenommen. Dabei erfuhr ich, dass die Raiffeisenbank ihr Lagerhaus schließen und verkaufen oder vermieten wollte." Zunächst Möbel in Kleinserie

Dies war die Standortentscheidung für ein schon geplantes Projekt, bei dem vier Trierer FH-Studenten neue Ideen bei der Gestaltung von Möbeln, Innenarchitektur und Produkten entwickeln wollten. Noch 1984 gründete das Quartett die Igel-Designwerkstatt und zog mit einem kleinen, gebrauchten Maschinenpark in den Raiffeisenbau ein. Ziel war es zunächst, Möbel-Prototypen für die Industrie zu entwickeln, was sich aber schnell als brotlose Kunst erwies. Stattdessen befassten sich die Jungunternehmer recht erfolgreich mit der eigenen Produktion von Designermöbeln in Kleinserie. Eine Zäsur brachte das Jahr 1987: Die Raiffeisenbank wollte ihr Gebäude nun verkaufen, und die Alternative für die Mieter hieß: das Haus erwerben oder ausziehen. Florian Schausbreitner und Wolfgang Schlicker entschieden sich für den Kauf. Dieses Risiko wollten die beiden Compagnons jedoch nicht mittragen. Sie stiegen aus der Igel-Designwerkstatt aus, während die beiden Zurückgebliebenen bald vor der Frage nach der künftigen Hauptrichtung standen. Wolfgang Schlicker: "Wir hatten die Wahl, Möbelproduzenten zu werden oder uns auf unser eigentliches Fachgebiet zu konzentrieren – nämlich die Innenarchitektur." Auf Empfehlung der IHK Trier stellten die inzwischen mehrfach ausgezeichneten Designer ihr Möbelprogramm 1991 ein – nicht aber die eigene Schreinerwerkstatt. Die wird heute benötigt, um bei Bedarf individuelle Komponenten für in Igel entwickelte Praxis- oder Geschäftsräume herzustellen. Für die Ausführung zuständig sind ein Schreinermeister und ein Geselle. Zudem beschäftigt die Igel-Designwerkstatt eine Schreibkraft. Der Schwerpunkt liegt nun auf der Innenarchitektur und der Produktgestaltung. Lang ist die Liste der von Schausbreitner gestalteten Arztpraxen. Der Ruf der Igeler Designer reicht bis in den Kölner Raum, ins Saarland und darüber hinaus. Und wem ist schon bekannt, dass die Form der meisten Schweizer Geldautomaten in der Igel-Designwerkstatt entwickelt wurde. Altbau-Umnutzung und eine neue Wohnidee

Ein weiteres Standbein ist die Umnutzung von Altbau-Räumen und ihre Gestaltung. So wurde die gesamte Innenarchitektur der "Villa Kunterbunt" von Igel-Design geplant. Beispiele für weitere abgeschlossene Großobjekte sind etwa der Bahnhof Trier-Süd oder der Umbau eines ehemaligen Bewegungsbades im Marienkrankenhaus Ehrang zu einer radiologischen Praxis. Wenn die Gemeinde Igel nun mit der Erschließung eines Neubaugebietes in der unmittelbaren Nachbarschaft der Igel-Designwerkstatt beginnt, wollen Schausbreitner und Schlicker auch dabei sein. Sie haben dafür eigens ein Zweifamilienhaus entworfen, das "demokratisches Wohnen" garantieren soll. Ein Modell verdeutlicht, was damit gemeint ist: Durch eine geschickte Raumaufteilung im Gebäude ist gewährleistet, dass keine der beiden Wohnparteien durch ihre Lage benachteiligt wird. Schausbreitner erläutert die Intention: "Hier sollen alle Bewohner an den Schokoladen-Seiten des Hauses – etwa in Südrichtung – gleichermaßen beteiligt werden, ohne sich dabei gegenseitig auf die Pelle zu rücken."

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