Leben positiv gestalten

RIOL. Eine glückliche Familie. Vater, Mutter, fünf Kinder. Dann stirbt der Familienvater plötzlich an einem Herzinfarkt. Acht Monate nach dem Schicksalsschlag meistert Nicole Scherer (34) den Familienalltag alleine. Mit dem TV sprach sie über erfahrene Hilfsbereitschaft, haarsträubende Bürokratie und Trauerbewältigung.

Alexander (6), Christina (11), Stephanie (7), Carina (9) und Nesthäkchen Victoria (3) trudeln nach und nach im Wohnzimmer ein. Hinterher trottet Susi, der Familienhund. Die Kinder scharen sich auf der großen Eck-Couch um ihre Mutter Nicole Scherer. An der Wand hängen das Hochzeitsfoto und Bilder mit lachenden Kindergesichtern. Gebürtige Triererin hegt Heimatgefühle für Riol

Der Ausblick ist grandios. Weite Wiesen, Weinberge, Idylle pur. "Das war auch der Grund, weshalb wir vor zwölf Jahren gesagt haben, hier in Riol wollen wir bauen", erzählt die gebürtige Triererin. Und der Moselort lag nicht weit von Schweich entfernt, der einstigen Arbeitsstelle ihres verstorbenen Mannes. Längst hegt Nicole Scherer Heimatgefühle für den Ort. Die Hilfsbereitschaft der Dorfgemeinschaft nach dem Tod ihres Mannes hat ihr Zugehörigkeitsgefühl verstärkt. "Wenn sie einen Babysitter brauchen, rufen sie an", habe auf einer Beileidskarte gestanden. Nachbarn haben wortlos die Mülltonne herausgestellt. "Wenn ich mich mit dem Rasenmäher abmurkse, eilt immer jemand zur Hilfe", sagt Scherer. Doch ihr größter Grundsatz ist, "mein Leben so in den Griff zu bekommen, dass wir alleine klar kommen. Hilfe nehme ich erst an, wenn es gar nicht mehr geht". Der Tod ihres Mannes habe ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Doch sie sei schnell wieder "aufgestanden." Sie sagt: "Es nützt nichts, in der Trauer hängen zu bleiben. Ein neuer Lebensabschnitt hat begonnen, den man nur positiv angehen kann." Die fünffache Mutter sieht sich als Wegbereiterin für die Zukunft ihrer Kinder. "Da muss ich viel Positives mitgeben." Familienregeln erleichtern den Alltag. "Wir räumen den Tisch ab und gehen Brötchen im Supermarkt holen", erzählt Stephanie. Klar ist auch, dass die Mutter Zeit für sich braucht. "Die Kinder wissen, dass sie mich nicht stören dürfen, wenn ich Sport mache oder einfach mal in Ruhe ein Buch lesen will. Ich bin zwar Mutter, aber ich bin auch Frau und Mensch." Mit dem Gefühl im Rücken, "wir sind für dich da" - die Familie wie auch die Dorfgemeinschaft - hat Nicole Scherer es geschafft, von einem Moment auf den anderen ein anderes Leben zu führen. "Das wäre in der Stadt garantiert anders gewesen." Maßlos enttäuscht ist sie hingegen von den Behörden. Um den Kinderzuschlag, "der ja einen Anreiz schaffen soll, um Kinder zu bekommen", kämpft sie seit acht Monaten.Bürokratische Klauseln rauben viel Familienzeit

Um die Halbwaisenrente zu beantragen, musste sie erst einmal den Nachweis erbringen, dass ihre Kinder auch die Kinder ihres Mannes sind. Ortsbürgermeister Arnold Schmitt musste Nicole Scherer abweisen, da Beglaubigungen der Geburtsurkunden Sache des Standesamtes sind. "Denn nur das Standesamt weiß, ob eine Geschlechtsumwandlung oder Adoption stattgefunden hat", sagt Nicole Scherer kopfschüttelnd. "Der Ortsbürgermeister hat diesen Behördengang dann netterweise für mich erledigt", aber Ihr Fazit nach der Ämterodyssee ist vernichtend: "Deutschland ist meilenweit von Kinderfreundlichkeit entfernt. Deutschland könnte mit weniger Bürokratie und logischem Denken viele Steuergelder einsparen." Die Zeit, die die Bürokratie bislang in Anspruch nahm, hätte die fünffache Mutter gerne genutzt, um den Kindern in ihrer Trauerbewältigung beizustehen. Wunderbare Kinder sind Kraftquelle für die Mutter

Ihr Schreibbüro, "zum Glück habe ich ein eigenes berufliches Standbein", würde sie gerne ausbauen, doch die Hände sind ihr gebunden. "Ich muss genau aufpassen, was ich verdiene, ansonsten wird mir die sichere Rente sofort gekürzt. Das Risiko ist mir zu groß." Was gibt ihr die Kraft, die Situation zu meistern? "Gucken Sie sich meine fünf wunderbaren Kinder an, dann wissen Sie, was mir Kraft gibt."

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