Lebendige Vergangenheit

PELLINGEN. In der Vergangenheit kramen, sich erinnern: kein Problem und eine große Freude für Anton Willems. Der ehemalige Ortsbürgermeister von Pellingen war an der Erarbeitung der Chronik des Ortes, die vor einigen Tagen veröffentlicht wurde, maßgeblich beteiligt.

Man muss ihn nicht fragen, ob er sich in Pellingen wohlfühlt: Ein Blick in die Lebensgeschichte von Anton Willems spricht Bände. Eine größere Unterbrechung gab es, da er nicht in Pellingen war: Fast fünf Jahre war er in russischer Kriegsgefangenschaft - eine Zeit, die sein Leben prägte. Um das Erlebte zu verarbeiten, schrieb er Gedichte. "Ich habe die auf Zementsäcke stenographiert, die Russen konnten damit nichts anfangen", so Anton Willems. Als der Älteste von neun Geschwistern mit 25 Jahren als letzter Pellinger heimkehrte, haben ihm Kusinen das Tanzen beigebracht - und das Leben nahm wieder seinen Lauf. Und dass er an Pellingen hängt, dass ihm der Ort etwas bedeutet, das zeigt sich auch daran, dass er von 1970 bis 1976 Ortsbürgermeister war. "Leider musste ich das Amt aus beruflichen Gründen aufgeben", erzählt er. Ein Höhepunkt in seiner Amtszeit war die 1000-Jahr-Feier des Ortes 1973. "Dafür hat meine Tochter damals die Plakate, Stempel und das Festheft entworfen", sagt Anton Willems stolz. Seine Töchter sehe er im Gegensatz zu seinem Sohn leider nicht so oft, da eine in Berlin und die andere am Niederrhein wohne, so der dreifache Vater und Großvater.Auch Antworten auf unangenehme Fragen

In den vergangenen Jahren beschäftigte sich Anton Willems intensiv mit der Geschichte des Dorfes - und somit auch mit seiner eigenen Vergangenheit. "Der Wunsch, eine Chronik zu erstellen, wurde 1985 im Heimatverein geäußert", erinnert er sich, "damals waren wir alle noch berufstätig, haben aber schon angefangen, Material zu sammeln." Weit zurück haben die Mitarbeiter an der Chronik die Geschichte des Ortes verfolgt: "Unsere Aufzeichnungen über Pellingen beginnen in der Keltenzeit", so Anton Willems. Seit 1993 wurde die Arbeit an der Chronik intensiviert, weil mehr Zeit da war, denn Anton Willems war nach 16 Jahren als Bezirksdirektor einer Bausparkasse und zwei Jahren als Ausbilder im Osten Deutschlands in Rente gegangen. Das Kramen in der Vergangenheit war in den vergangenen Jahren seine Hauptbeschäftigung. So schlimm die Zeit des Krieges gewesen sein muss, so lebendig sind seine Erinnerungen daran. "Ich war schon immer ein politisch interessierter Mensch", sagt er, "und auch Geografie und Geschichte finde ich spannend. Vielleicht habe ich deshalb so viel behalten." Er fände es wichtig, gerade auch Themen wie die Zeit des Nationalsozialismus nicht zu verschweigen: "Denn wie soll sich die heutige Jugend ein Bild machen können von dem, was war, wenn dies verschwiegen wird?" Auch unangenehme Fragen versuche er so in der Chronik zu beantworten, zum Beispiel die immer wiederkehrende Frage, "warum man als junger Mensch im politischen Denken verführt werden konnte". Oft bis tief in die Nacht schrieb er seine Erinnerungen nieder. Auch wenn frühere Hobbys wie Hochgebirgstouren mit anderen Pellingern und das Fotografieren nun nicht mehr zu seinen Freizeitbeschäftigungen gehören, einem blieb er trotz der Chronik-Arbeit treu: Er singt für sein Leben gerne - "eine Familientradition", erzählt der Mitgründer des Pellinger Gesangsvereins. Und nun, da die Arbeit an der Chronik abgeschlossen ist, überlegt Willems, sich ein weiteres Hobby zuzulegen: "Ich glaube, ich werde mir jetzt einen Computer kaufen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort