Mit Leib und Seele Ortschef

OBERBILLIG. Josef Boritzki liebt seine Heimat Oberbillig nicht nur wegen der schönen Aussicht auf die Mosel, die er vom Balkon seines Hauses genießt. Zehn Jahre lang war der 68-Jährige der erste Bürger des Ortes – und zwar mit Leib und Seele, wie er sagt.

"Die unvergleichlich schöne Sicht auf die Mosel hat mich immer gereizt", sagt Josef Boritzki und deutet in Richtung Balkon. Nicht zuletzt deshalb habe er einst beschlossen, sich in Oberbillig häuslich niederzulassen. Allerdings kam der in Trier aufgewachsene Boritzki im Jahr 1971 hauptsächlich wegen seines Berufs in das Dorf am Zusammenfluss von Mosel und Sauer. Denn der gelernte Bauingenieur arbeitete bei einem Betrieb in der Nähe. Inzwischen ist der heute 68-Jährige im Ruhestand. Bis vor rund elf Jahren war Boritzki nicht nur überzeugter Oberbilliger, sondern auch erster Bürger der Gemeinde. Ein Jahrzehnt lang bekleidete er das Amt des Ortsbürgermeisters - genau halb so lange, wie er Mitglied im Gemeinderat war. Stolz zieht er eine kleine Kiste mit rotem Deckel hervor. Er öffnet sie und entnimmt ihr einen schon etwas abgegriffenen Bauplan. "Das war mein letztes Projekt, das der Gemeinderat unter meiner Führung per Beschluss auf den Weg gebracht hat", erklärt Boritzki. Das war 1994. Erst 2003 konnte der Hochwasserschutz am Oberbilliger Moselufer nach rund zweijähriger Bauzeit fertig gestellt werden. Boritzki berichtet, er selbst habe den Stein seinerzeit ins Rollen gebracht. Ausschlaggebend sei ein Erlebnis im Jahr 1983 gewesen. Mehrmals sei damals ein Teil des Orts innerhalb weniger Wochen überflutet worden. "Das habe ich in dem Maße bis dahin nicht gekannt." Von da an habe für ihn festgestanden, dass etwas geschehen müsse. In der Folgezeit habe er sich informiert, ob ein wirksamer Hochwasserschutz überhaupt möglich sei und die Idee dem Gemeinderat vorgetragen. "Auch der Trierische Volksfreund hat ein Jahr später darüber berichtet", so Boritzki, zu dessen Haushalt die Zeitung seit jeher gehört. Inzwischen ist der groß angelegte Verbund von Schutzwällen und -mauern fertig. Auch wenn Boritzki eher ruhig wirkt, scheint er doch eine Kämpfernatur zu sein. Anfang der 70er-Jahre sollte in einem Gipsstollen in der Nähe Anhydrid, ein Zusatzstoff für die Stahlproduktion, gewonnen werden. "Das hätte bedeutet, dass nur wenige Meter von meinem Haus entfernt ein lärmendes Förderband zum Beladen von Schiffen installiert worden wäre", sagt Boritzki. "Von diesem Zeitpunkt an habe ich keine Gemeinderatssitzung mehr versäumt." Später habe er eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen und rund 600 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt. Das Resultat: "Das Projekt wurde fallen gelassen." Offenkundig hatte der Wahl-Oberbilliger an der Kommunalpolitik Gefallen gefunden. Im Jahr 1974 kam er in den Gemeinderat, zehn Jahre später wurde er Ortschef. "Ich war mit Leib und Seele Bürgermeister", sagt Boritzki. Dennoch: "Am Ende war ich froh, dass ich aufhören konnte. Vor allem im letzten Amtsjahr wurde es aus unterschiedlichen Gründen immer schwieriger, den Job auszuüben." Gleichzeitig verließ er den Gemeinderat. Bis heute gelte für ihn die Devise: "Will man etwas verändern, muss man selbst mit anpacken."

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