Morbide Esoterik am Fin de siècle

SCHWEICH. Ein Panoramablick auf die musikgeschichtliche Blütezeit um 1900 in Paris hat Konzertbesucher in der Schweicher Synagoge begeistert. Siegfried Mauser, Professor der Musikwissenschaften aus München, und die Sopranistin Amélie Sandmann trugen Werke von Eric Satie, Maurice Ravel und Claude Debussy vor.

 Auf den Leib geschrieben: Amélie Sandmann gab, begleitet von Siegfried Mauser, der Stimmung im Paris um 1900 Ausdruck und Gefühl.Foto: Anke Emmerling

Auf den Leib geschrieben: Amélie Sandmann gab, begleitet von Siegfried Mauser, der Stimmung im Paris um 1900 Ausdruck und Gefühl.Foto: Anke Emmerling

Es ist nicht bloß ein Konzert, das die Volkshochschule Schweich ihren Gästen in der Synagoge bietet. Es ist ein Mix aus musikwissenschaftlichem Vortrag, Kabarett und virtuoser Kammermusik, eine Verknüpfung von Wissen und Unterhaltung, die Spaß macht. Das liegt vor allem an Siegfried Mauser, aus dessen Mund die Geschichten nur so sprudeln. Sie zeichnen das plastische Bild einer Kulturmetropole zwischen Endzeit- und Aufbruchsstimmung, die illustre Charaktere wie Eric Satie hervorbrachte. Der Esoteriker, der eine eigene Kirche gründete, gilt mit seinen Kompositionen zwischen Groteske, Kritik und tiefem Ernst als Wegbereiter der Moderne.Von Plattfüßen und anderen Absurditäten

In einen Frack gekleidet, scheint Mauser selbst diesen Bar-Pianisten vom Montmartre zu verkörpern. Am Flügel trägt er hingebungsvoll fast dadaistische Sprechgesänge, die "Vorletzten Gedanken eines Dandy", vor, aber auch die Gymnopedien (rituelle Tänze), die als Auflehnung gegen den Originalitätsanspruch der Romantik gedacht waren. Für Erheiterung sorgen Textpassagen, etwa ein Exkurs über Plattfüße, mit denen Satie Gedanken der alten Römer Cicero und Cato ins Absurde zu führen versuchte. Danach folgen andere neue Ausdrucksformen aus dem Paris der vorvergangenen Jahrhundertwende, die, inspiriert von der Weltausstellung, internationale Einflüsse zeigen. Zum Beispiel Maurice Ravels stilisierte Volkslieder, die Sopranistin Amélie Sandmann mit warmer Stimme, viel Gefühl und Ausdruckskraft singt. Ausgebildet unter anderem in Spanien und Italien, scheinen ihr diese musikalischen Ausflüge auf den Leib geschrieben zu sein. Mit großer Virtuosität spielt Siegfried Mauser anschließend Klavierwerke von Claude Debussy, die modellhaft für den übergreifenden, symbolischen Impressionismus stehen. Titel wie "Nebel" oder "Herabfallende Blätter" drücken die Stimmung morbiden Verfalls am Fin de siècle aus. Doch die Besucher dieser Veranstaltung der Kreiskulturtage Trier-Saarburg werden nicht entlassen, ohne noch einmal herzhaft gelacht zu haben. Im Duett mit Mauser singt Amélie Sandmann Eric Saties "Vogellied", dessen Text "Tirillili" und "Llll" nur mit einiger Gesichtsgymnastik durchzuhalten ist.

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