Nur ein Denkzettel

SAARBURG. Relativ glimpflich kam eine 42-jährige Autofahrerin aus Tawern davon, die vor dem Amtsgericht Saarburg wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 2250 Euro verurteilt wurde. Ihren Führerschein darf die Verurteilte behalten. Zudem ist sie weiterhin nicht vorbestraft.

Mit Delikten im Straßenverkehr hat Herbert Schmitz, Strafrichter am Amtsgericht Saarburg, regelmäßig zu tun. Nicht alltäglich gestaltete sich hingegen die Verhandlung in dieser Woche dadurch, dass sich die Unfallverursacherin nicht allein wegen fahrlässiger Körperverletzung, sondern auch wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten musste. Entsprechend angespannt war die Atmosphäre im Gerichtssaal. Mit gesenktem Kopf und in geduckter Haltung verfolgte Claudia Müller (Name von der Redaktion geändert) die Anklage, die Staatsanwältin Daniela Schnur zu Beginn der mehrstündigen Verhandlung verlas. Demnach ist Claudia Müller an Allerheiligen 2005 mit ihrem Auto von Tawern in Richtung Ayl auf der B 51 unterwegs gewesen. Etwa in Höhe der Kuppe im Könener Wald habe sie beschleunigt und zum Überholen eines vor ihr fahrenden Autos angesetzt. An dem sei sie jedoch nicht vorbei gekommen und so auf der Linksabbiegerspur nach Wawern gelandet. Am Ende dieser Spur sei die Angeklagte ungebremst in einen Wagen gerast, dessen Fahrerin nach Wawern abbiegen wollte und gehalten hatte, um den Gegenverkehr abzuwarten. Die Fahrerin des wartenden Wagens wurde schwer verletzt. Ihr 79-jähriger Vater, der auf dem Beifahrersitz saß, erlitt schwere Verletzungen und starb an der Unfallstelle. Claudia Müller überließ es ihrer Verteidigerin Katrin Munsch, sich zu der Anklage zu äußern. Munsch: "Meine Mandantin räumt ein, diesen Unfall verursacht zu haben. Sie ist in Panik geraten, als sie gemerkt hat, dass sie es nicht mehr schafft, den Überholvorgang abzuschließen. Sie hat zwar noch kurz gebremst, konnte aber den Zusammenstoß nicht mehr abwenden.""Aneinanderstückelung von Behauptungen"

Diese Äußerungen stellten Richter Schmitz nicht zufrieden, der in bekannter Manier Klartext sprach: "Das OLG Koblenz hat etwas dagegen, dass Verteidiger für ihre Mandanten etwas einräumen. Außerdem sind Ihre Schilderungen nichts weiter als eine Aneinanderstückelung von Behauptungen." Wortkarg schilderte die Angeklagte: "An den Knall kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe vor der 70er-Zone noch gebremst und dem Autofahrer, den ich überholen wollte, Handzeichen gegeben, dass er mich reinlässt." Der sagte als geladener Zeuge aus, nichts von dieser Gestik bemerkt und den Wagen erst registriert zu haben, als dieser auf gleicher Höhe mit seinem Fahrzeug war und wenig später auf den stehenden PKW aufknallte. Detaillierte Informationen zum Unfallhergang lieferte der KFZ-Sachverständige Norbert Pinter, der im Auftrag der Polizei Saarburg die Spurensicherung übernommen hatte und den Vorgang im Gerichtssaal per Computersimulation rekonstruierte. "Wenn die Angeklagte die in diesem Bereich vorgeschriebenen 70 Stundenkilometer gefahren wäre, hätte sie trotz misslungenen Überholmanövers durch Bremsen etwa zehn Meter vor der Unfallstelle zum Stehen kommen können." Sie sei ungebremst mit etwa 100 Stundenkilometern in das haltende Auto geknallt. "Keinen Zweifel an der Sorgfaltspflicht-Verletzung" der Angeklagten hatte auch Staatsanwältin Schnur: "Müller hätte die Möglichkeit gehabt, den Überholvorgang abzubrechen und hinter dem Golf einzuscheren, als sie merkte, dass sie nicht vorbei kommt. Oder sie hätte bremsen müssen." Gleichwohl ging die Staatsanwaltschaft zugunsten der Angeklagten von einer Fehleinschätzung der Situation aus. "Das Merkmal der Rücksichtslosigkeit, das im Paragraphen 315c, Absatz 2b beschrieben ist, sehen wir bei Claudia Müller nicht erfüllt. Deshalb beantrage ich eine Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu 35 Euro." Richter Schmitz blieb mit seinem Urteil unter der Forderung der Staatsanwaltschaft und vor allem unter der "magischen 91er-Grenze". Er verurteilte Claudia Müller zu 90 Tagessätzen à 25 Euro, wonach die alleinerziehende Mutter von drei Kindern dem Makel der "Vorbestrafung" entgeht. Schmitz: "Sonst wären Sie Ihren 400 Euro-Job bei der Sparkasse wahrscheinlich morgen los." Der Überzeugung der Staatsanwaltschaft, den Paragraphen 315c nicht anzuwenden, der für Müller den Führerscheinentzug bedeutet hätte, folgte Schmitz: "Diese Frau hat nicht das objektiv Falsche gemacht aus niederer Gesinnung. Sie war vielmehr schlichtweg mit der Situation überfordert und hat mit ihrer Reaktion einen folgenschweren Fehler produziert. Diese Geldstrafe kann deshalb nur ein Denkzettel sein. Mit der Schuld, ein Menschenleben auf dem Gewissen zu haben, muss sie leben. Das kann ihr keiner abnehmen."

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