Nur wer profitiert, muss zahlen

Saarburg/Schweich · Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst in einem Saarburger Fall entschieden, dass die Stadt zwar wiederkehrende Beiträge für den Ausbau von Straßen erheben darf. Allerdings muss sie dabei genau prüfen, welche Anlieger hiervon profitieren. Nur diese schulden den Ausbaubeitrag.

 Auch wenn Landesstraßen im Innenbereich erneuert werden, müssen die Einwohner des Ortes für die Sanierung von Gehwegen und Beleuchtung wiederkehrende Beiträgge zahlen. So auch in Freudenburg, wo morgen, Freitag, die Tragschicht in der Leukstraße aufgetragen wird. TV-Foto: Alexander Schumitz

Auch wenn Landesstraßen im Innenbereich erneuert werden, müssen die Einwohner des Ortes für die Sanierung von Gehwegen und Beleuchtung wiederkehrende Beiträgge zahlen. So auch in Freudenburg, wo morgen, Freitag, die Tragschicht in der Leukstraße aufgetragen wird. TV-Foto: Alexander Schumitz

Saarburg/Schweich. Eine Frau mit einem Grundstück im Stadtteil Saarburg-Beurig hat erfolgreich Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen die Erhebung wiederkehrender Beiträge für den Straßenausbau eingereicht. Vor sieben Jahren hat die Verbandsgemeindeverwaltung Saarburg der Frau einen Bescheid geschickt, in dem die Stadt Saarburg von der Grundstückseigentümerin eine Vorausleistung auf wiederkehrende Beiträge in Höhe von 146,30 Euro forderte. Die eingelegten Rechtsmittel hatten zunächst keinen Erfolg.OVG muss wieder ran


Kommunen können zwischen Einmalbeiträgen und wiederkehrenden Beiträgen wählen, um die Kosten für Straßensanierungen im Gemeindegebiet auf die Bewohner zu verteilen. Wiederkehrende Beiträge werden immer dann von allen Einwohnern einer Abrechnungseinheit erhoben, wenn eine Gemeinde eine Straße erneuert. Bei Einmalbeiträgen werden nur die Anlieger der sanierten Straße zur Kasse gebeten.
Nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das rheinland-pfälzische Oberverwaltungsgericht (OVG) sich erneut mit dem Fall aus Saarburg befassen muss. Die Richter in Koblenz hatten noch Anfang 2010 beschlossen, ein Urteil des Verwaltungsgerichts Trier in dieser Angelegenheit nicht zu überprüfen.
In ihrem Beschluss, mit dem sie eine Berufung gegen das Trierer Urteil nicht zuließen, führten die Richter aus: "Ebenso wenig lässt sich aus den bundesrechtlichen Voraussetzungen einer Erschließungseinheit ableiten, dass keineswegs sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets oder einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde zu einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung zusammengefasst werden dürfen." Die Richter am Oberverwaltungsgericht waren hier der Meinung, dass die Abgrenzung der Abrechnungseinheiten nach Orten und gegebenenfalls Stadtteilen ausreichend sei.
Anders sieht dies das Bundesverfassungsgericht. Zwar sei Paragraf 10a des rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes (KAG, siehe Hintergrund) verfassungskonform. Aber die Verfassungsrichter beanstanden einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dann, wenn die Beitragssatzung der Gemeinde nicht berücksichtigt, ob die belasteten Grundstückseigentümer aus dem Ausbau der Straße einen Vorteil ziehen oder nicht. In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts heißt es: "Die Bildung einer einzigen Abrechnungseinheit im gesamten Gemeindegebiet ist dann gerechtfertigt, wenn mit den Verkehrsanlagen ein Vorteil für das beitragsbelastete Grundstück verbunden ist. Besteht ein solcher Vorteil wie in Großstädten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet nicht, läge in der Heranziehung aller Grundstücke zur Beitragspflicht eine Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte." Und das wäre unzulässig. Was das für die Aufstellung von Beitragssatzungen konkret bedeutet, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Klar scheint aber zu sein, dass die Gemeinden künftig bei jeder Straßensanierung differenziert urteilen müssen, wer von der Maßnahme profitiert und wer nicht.
Saarburgs aktuell geltende Beitragssatzung unterteilt die Stadt in sechs Abrechnungseinheiten (Saarburg, Kahren, Hosteberg, Krutweiler, Industriegebiet Irscher Straße und Gewerbegebiet Saarufer). Das bedeutet beispielsweise, dass, wer in Krutweiler ein Grundstück hat, nicht für die Sanierung von Straßen in Saarburg oder Kahren zahlen muss. Auf Nachfrage teilt die Verbandsgemeindeverwaltung, die die Beitragsbescheide im Auftrag der Kommunen erstellt, mit, dass man die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis genommen habe. Susanne Rendenbach, Pressesprecherin der VG Saarburg, sagt: "Wir gehen für die Verbandsgemeindeverwaltung davon aus, dass wir mit der bisher praktizierten Form des Erhebens wiederkehrender Beiträge weiterhin verfassungskonform handeln. Insbesondere deshalb, weil die Verbandsgemeinde bereits bei der Einführung dieses Systems bei den Ortsgemeinden die Abrechnungseinheiten entsprechend den Ortsteilen zugeschnitten hat." Die VG geht also davon aus, dass sie in der von der Verfassung vorgegebenen Form zwischen den einzelnen Abrechnungseinheiten differenziert hat.
Wiederkehrende Beiträge erheben in der VG Trier-Land die Gemeinden Franzenheim, Hockweiler, Igel, Kordel, Newel, Ralingen, Welschbillig und Zemmer, in der VG Ruwer die Gemeinden Bonerath, Gusterath, Gutweiler, Herl, Kasel, Korlingen, Morscheid, Ollmuth, Pluwig, Riveris, Schöndorf und Thomm, in der Verbandsgemeinde Schweich die Orte Bekond, Detzem, Ensch, Fell, Föhren, Kenn, Klüsserath, Leiwen, Mehring, Pölich, Riol, Schleich, Schweich-Issel und Trittenheim.Meinung

Straßensanierungen als Sisyphusarbeit
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat gravierende Folgen für die Kommunen. Bislang konnten die sich darauf stützen, dass der Landesgesetzgeber mit seiner Novelle des Kommunalabgabengesetzes vor sieben Jahren ein grobes Raster für die Erstellung von Abrechnungseinheiten zuließ. Auf diese großzügige Abrechnungspraxis dürfen sich die Kommunen künftig nicht mehr stützen. Sie müssen ihre Abrechnungseinheiten so fassen, dass nur solche Bewohner mit Abgaben belastet werden, die von einer Straßensanierung einen Vorteil haben. Um die Satzungen entsprechend zu fassen, haben die Karlsruher Richter nur einen kleinen Hinweis gegeben: Großstädte beziehungsweise Gemeinden, die sich aus mehreren Kommunen zusammensetzen, müssen differenzierte Abrechnungseinheiten bilden. Das Thema Abgabengerechtigkeit für Straßenausbauinvestitionen wird in den kommenden Jahren also nicht nur die kommunalen Gremien beschäftigen, sondern auch Gerichte und ein Heer von Anwälten. Da droht manche dringend nötige Straßensanierung zur Sisyphusarbeit zu werden und auf der Strecke zu bleiben. saarburg@volksfreund.deExtra

Paragraf 10 a des rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) erlaubt den Kommunen, statt nur die Anlieger einer Ausbaumaßnahme zu belasten, die Kosten für den Straßenausbau auf alle Einwohner einer Abrechnungseinheit umzulegen. Die Regelung aus dem Jahr 2007 verzichtete bewusst auf einen räumlich-funktionalen Zusammenhang der Abrechnungseinheiten. Diese früher gesetzlich verankerte Voraussetzung für wiederkehrende Beiträge hatte in der Vergangenheit immer wieder dazu geführt, dass die Gerichte Beitragsbescheide aufgehoben haben. So hatten sich beispielsweise in Nittel zwei Eigentümer vor zehn Jahren erfolgreich gegen Abgabenbescheide gewehrt. Das Oberverwaltungsgericht in Koblenz war damals der Meinung, dass die belasteten Grundstücke in keinem funktionalen Zusammenhang mit der Ausbaumaßnahme stünden. Es hob deshalb die Abgabenbescheide auf. Infolge dieser Entscheidungen hatte der Landesgesetzgeber 2007 das KAG geändert. Jetzt fordert das Bundesverfassungsgericht eine Rückkehr zur alten Rechtsinterpretation. itz

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