Orientierung geben

SAARBURG Was tun in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit, die alle Bevölkerungsschichten erreicht hat, angesichts von Terroranschlägen und Reformchaos? Klinikpfarrer Gerhard Schwetje, einstiger Regierungspräsident in Trier, hat sich in einem Vortrag mit diesen Themen auseinander gesetzt.

"Wenn Götzen gestürzt werden, geht dies den Menschen ins Mark." Dies war einer der Schlüsselsätze im Vortrag von Klinikpfarrer Gerhard Schwetje bei der Volkshochschule (VHS) Saarburg. Für viele sei das World Trade Center in New York - Symbol für den freien Markt und die Börse - zu einem solchen Götzen ihres Lebens geworden. Mit seiner Zerstörung durch Terroristen aus einem anderen Kulturkreis seien diese Werte erheblich ins Wanken geraten. Die Tatsache, dass in Afrika jeden Tag 6000 Menschen an Aids sterben, sei emotional offenbar nicht vergleichbar. Die Folgen der Terroranschläge seien milliardenschwere Sicherheitsvorkehrungen und ein Gefühl der Ohnmacht angesichts scheinbar unversiegbarer Quellen von Selbstmord-Attentätern."Politik wird immer kurzatmiger"

Aber nicht nur die globalen Gefahren haben nach Ansicht des Referenten zu großen Unsicherheiten geführt. "Die Politik in Deutschland wird immer kurzatmiger und keiner scheint mehr zu wissen, wohin die Reise eigentlich geht." Die Verantwortlichen würden immer noch glauben, die entscheidenden Grundwahrheiten verschleiern zu können: Dass jede Gemeinschaft, die über Jahrzehnte mehr ausgibt als sie einnimmt, unweigerlich im Konkurs landet, und dass es für eine Gesellschaft ohne Kinder keine biologische und wirtschaftliche Zukunft gibt. Die Deutsche Gesellschaft für Demographie habe darauf hingewiesen, dass sich das Geburtsdefizit bis 2050 mindestens verachtfachen werde. Da stelle sich die Frage, ob der christliche, mitteleuropäische Raum überhaupt noch seine eigene Zukunft für die nachfolgenden Generationen haben wolle. "Wenn wir dazu nicht mehr bereit sind, hat die Welt genügend andere Menschen und Kulturen als Alternative." Kinder haben bedeute immer gegenwärtigen Verzicht, aber zugunsten der Zukunft, so Schwetje.Vertrauen und Begegnung

Darüber hinaus sei die Familie das "unersetzlich wichtigste Wertefeld unserer Gesellschaft". "Wo sollen die Kinder Dialog, Vertrauen und Begegnung lernen, wenn nicht in der Familie?", fragte er seine Zuhörer. Doch solange jede andere berufliche Tätigkeit in den Augen der Menschen einen höheren Stellenwert besitze als die Erziehung der Kinder, die außerdem der angeblichen Selbstverwirklichung im Wege stünden, könne eine Erneuerung der Familie nicht erreicht werden. Es sei auch Aufgabe der Kirchen, bewusstseinsbildende Mithilfe zu leisten. Statt staatlicher Sozialleistungen für alles und jeden müssten wieder Eigenverantwortung und nicht-staatliche Netzwerke familiärer und bürgerschaftlicher Selbsthilfeeinrichtungen die Aufgaben gegenseitiger Unterstützung übernehmen, forderte Gerhard Schwetje. "Wir müssen Freiheit und Verantwortung wieder ins Gleichgewicht bringen. Zum christlichen Menschenbild gehört die Freiheit. Sie ist eine Konsequenz unseres Gottesbildes, da wir Gott als die Liebe verstehen und Liebe ohne Freiheit nicht denkbar ist." Aber, so zitierte der Redner George Bernhard Shaw: "Freiheit heißt auch Verantwortung, deshalb wird sie von den meisten Menschen gefürchtet."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort