Poetisch wertvoll, politisch korrekt

SAARBURG. "Land der Dichter und Denker!?" lautet der selbstbewusste Titel einer Veranstaltungsreihe der Volkshochschule Saarburg, in deren Rahmen das "Kleine Literaturfestival" in der Saarburger Glockengießerei stattfand.

Mit Rezitationen von Schiller warteten die "Dichterpflänzchen" auf, die "fabuLyriker" thematisierten die deutsche Wiedervereinigung in einem gesellschaftskritischen Literatur-Theaterstück. "Die schöne Kunst und der freie Staat" lautete der Titel des Rezitations-Programms der fünf "Dichterpflänzchen". Nachdenken gehörte zur Grundvoraussetzung an diesem frühen Abend. Zunächst fanden acht Zuschauer den Weg in die Glockengießerei, später waren es knapp 30. Kunst kann einen besseren Staat erzeugen

Die ausführliche Schillersche Beantwortung der Frage, wie die Kunst einen freien Staat konstituieren könne, bereiteten die Wiesbadener "Dichterpflänzchen" anhand von Briefen Schillers und seines Gedichts "Der Künstler" unterhaltsam auf. Lutz und Marta Schauerhammer inszenierten einen Dialog, in dem sie die Argumentation Schillers diskutierten: Für Schiller war es die Kunst, die dem Menschen einen vollkommeneren Charakter verleihen könne. "Und da jede noch so vollkommene Verfassung von den Menschen umgesetzt werden muss", sagte Schauerhammer in Anlehnung an Schillers Briefe, "bedingt der Charakter der Menschen das Gelingen des Staates. Dadurch kann die Kunst einen besseren und einen freien Staat erzeugen. Man muss, nach Schiller, erst der Verfassung die entsprechenden Bürger geben, ehe man den Bürgern die Verfassung geben kann." Das kleine Literaturfestival fand zudem im Rahmen der "Politischen Bildungswochen" der Bundeszentrale für Politische Bildung (BPB) statt. "Politisch" ist auch das Stichwort, das auf das Programm der "fabuLyriker" - eine Gruppe von Sprechwissenschaftlern - zutrifft. "Uneinheitlich einheitlich" hieß das literarische Theaterstück, das die Macher als "Szenenfolge mit Texten aus der Zeit vor und nach der Wiedervereinigung" beschrieben. Eine kleine Mauer mit Stacheldraht trennte die Protagonisten: Ein Westdeutscher, gespielt von Gunnar Pietsch, unterhielt sich über die steinernen Grenzen hinweg mit seinem ostdeutschen Kollegen, dargestellt von Timo Filke. "Sind nicht schon ganze Reiche und Kulturen nur durch Dummheit untergegangen? Entstanden aber auch!", hieß es zu Beginn, und das "Lied der Deutschen" überlagerte sich dissonant mit "Auferstanden aus Ruinen". Während sich der Ostdeutsche darüber Gedanken machte, im System der DDR bloß nicht aufzufallen, hatte sein westdeutscher Kollege andere Sorgen: Der nämlich befürchtete Ärger vom Minister, weil seine Tochter in der Schule eine weiße Friedenstaube gemalt hatte: "Die Taube ist das Symbol der Friedensbewegung, und die wiederum ist zwar für Frieden, aber gegen den Frieden der Regierung! Lass also die Finger von den verdammten Tauben und denk' an Deine Zukunft: Mal' doch Autos, Flugzeuge, Panzer - nur irgendwas Friedliches!". Doch auch im Osten gab es was Neues: Widerstand gegen das politische System regte sich, aus "Wir sind das Volk" wurde "Wir sind ein Volk", und schließlich bauten beide die kleine Mauer auf der Bühne wieder ab. Den ehemals Ostdeutschen plagte nun die Arbeitslosigkeit, und er sehnte sich alsbald nach der DDR zurück. Für den "Wessi" lief auch nicht alles glatt: Als Sprecher des Arbeitsministeriums musste er die neuesten Arbeitslosenzahlen vorstellen und überlegte, wie er ihre steigende Tendenz nur möglichst kompliziert verpacken kann, damit doch alles irgendwie positiv wirkt.

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