Post, Politik und Karneval

LANGSUR. Peter Steil feierte kürzlich seinen 68. Geburtstag. Allerdings nennt ihn keiner im Dorf an der Sauer mit seinem Namen. Für die Bevölkerung ist der ehemalige Postbeamte seit über 50 Jahren nur der Post Pit.

Der "Ur-Langsurer", wie er sich selbst nennt, hat vieles bewegt, verändert und mitgeschaffen im Dorf und im dörflichen Zusammenleben. Dass er 1952 im jugendlichen Alter schon nach drei Tagen bei der Post fast wieder "gefeuert" worden wäre, darüber kann er heute lachen. Steil: "Zusammen mit einem Kumpel hatte ich ein Radio nach Wasserbillig schmuggeln wollen - prompt haben uns die luxemburgischen Zöllner auf der Brück‘ erwischt, und es erging Meldung an meinen Dienstherrn. Da wurde es eng für mich."Kritik am einstigen Arbeitgeber

Nach dieser gescheiterten Missetat verlief seine Postlerkarriere dann in ruhigen Bahnen. Er wurde zunächst Briefträger und später, bis 1996, Posthalter von Langsur. Allerdings ist er mit dem heutigen Auftritt seines Ex-Arbeitgebers nicht mehr froh, denn im Januar wird auch die Poststelle Langsur schließen. Sein Kommentar: "Das macht mich traurig und ärgerlich. Da hat man jahrzehntelang im Ort um das Vertrauen in Post und Postbank geworben, und nun werden die Kunden so vor den Kopf gestoßen." Im Prinzip könnte ihm das heute egal sein, aber dann wäre er nicht der Post Pit. Doch wenigstens seien seine fünf Kinder gut versorgt, sagt er stolz und zählt auf: Elektro- und KFZ-Meister, Gastronomiefachfrau, ein Diplomvolkswirt und eine Theologin. Vor wenigen Wochen hat Ortsbürgermeister Karl Heinrich Orth den Gründer der Langsurer Freien Wählergemeinschaft (FWG) zusammen mit anderen "Altgedienten" aus dem Ortsgemeinderat verabschiedet (der TV berichtete). Das mit der Kommunalpolitik habe 1967 im Grunde nur mit einem Scherz begonnen, so Steil. Die Geschichte: In der Gaststätte um die Ecke sollte ein SPD-Mann mit der "Nachricht" geärgert werden, dass der Post Pit nun seine eigene FWG gründet. Mehrere potenzielle Wähler hätten auch schon ihre Unterstützung bekundet. Steil: "Zuerst war's auch für mich ein Jux. Doch am nächsten Tag hab ich mir das nochmals überlegt und mit vielen im Dorf darüber gesprochen." Der Zuspruch sei groß gewesen. Da habe er eine FWG gegründet und auch Mitstreiter gefunden. Und so saß Streit nach der Wahl 1967 plötzlich im Ortsgemeinderat. Allerdings gehörten damals auch noch viele Landwirte diesem Gremium an. Und gegen die hatte der Postler "ohne Ahnung von Landwirtschaft" keinen leichten Stand. Also paukte er Agrartheorie und belegte sogar einen Kuh-Besamungs-Kursus an der Landwirtschaftsschule. Das sollte dann doch Eindruck gemacht haben. Später benötigte er für mehr Durchsetzungvermögen keinen Besamungskursus mehr. "Ich war 37 Jahre als Freie Wählerliste im Rat, 15 Jahre erster Beigeordneter und fünf Jahre Ortsvorsteher von Langsur", sagt Steil und blättert in den zahllosen Akten, die er sich aus seiner Amtszeit aufbewahrt hat.Lieber freiwillig verzichtet

Als nun die Kommunalwahl 2004 nahte, seien ihm doch die Gedanken gekommen, mit 68 Jahren noch abgewählt zu werden, wäre schon eine Schmach. So habe er den Rat seiner Frau Brunhilde befolgt und nicht mehr kandiert. Steil hat auch außerhalb von Post und Kommunalpolitik viel bewegt. Etwa in seiner Eigenschaft als Nebenerwerbs-Elblingwinzer und Vizepräsident des Elblingvereins Nittel. Besonders gern denkt er an eine Elbling-Präsentation beim damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel zurück. Ebenfalls in der Erinnerung geblieben sind die Wochenenden auf dem Fußballplatz - in der nicht immer beliebten Rolle als Schiedsrichter. Und dann wäre da noch der Karnevalsverein Langsur, dessen Neugründung 1978 auf seine Initiative zurückging. Aus Steils Sicht eine Erfolgsgeschichte, aber ohne Happy End. Der Ex-Karnevalist: "17 Jahre lang haben wir mit unseren Sitzungen und Umzügen den Langsurer Karneval bekannt gemacht - auch bei den Luxemburgern. Doch dann kamen junge Leute und wollten alles verändern. Keinen Elferrat mehr, keine Mundart." Nun sei der Verein total eingegangen. Schließlich ist da noch der Nikolaus, den Steil 44 Jahre lang mimte. Tragisch war der Anfang, als ein schwer krebskrankes Kind noch einmal den Nikolaus sehen wollte. Steil: "An dem Abend war niemand sonst im Dorf, der das schnell hätte übernehmen können. Da bin eben ich gegangen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort