Reisetag für die Krabbeltiere

PLUWIG. Eine seltene Umzugsaktion war in Pluwig zu beobachten: Das komplette Volk einer geschützten Ameisenart musste von Experten quer durch das Dorf an einen neuen Standort umgesiedelt werden.

Das Volk der kleinen roten Waldameisen hatte sich jahrelang am Waldrand bei der Franzenheimer Straße sehr wohlgefühlt und in Ruhe an seinem Bau gewerkelt. Doch dann wurde ihr Lebensumfeld zur Baustelle. Und wo sich unter einem Busch der Ameisenhügel erhob, drohten Baggerschaufeln. Demnächst wird dort ein Vorgarten mit Parkplatz entstehen. Schlechte Aussichten also für die Waldameisen, die wegen ihres hohen ökologischen Nutzens für Flora und Fauna streng geschützt sind - und dies schon seit rund 200 Jahren. Zum Glück bemerkten Mitglieder des Naturschutzbundes (Nabu) Trier und Umgebung die Gefahr und verständigten den örtlichen Revierförster Karl Franzen. Der erkannte gleich, dass in diesem Fall nur noch eine radikale Umsiedlung das Ameisenvolk retten konnte. Allerdings durfte er die Aktion nicht selbst in Angriff nehmen, weil er nicht über den dafür erforderlichen Fachnachweis verfügt. Stattdessen verständigte Franzen seinen Greimerather Kollegen Ralf Taubert, der als regionaler Ameisenschutzwart die entsprechende Berechtigung nachweisen kann. Eine neue Heimat war für die Krabbeltiere auch schnell gefunden: Die Pluwigerin Ute Ammelounx, selbst im Nabu engagiert, stellte eine Ecke ihres Naturgartens an der St.-Johannesstraße zur Verfügung. Dieser Standort erschien für die Ameisen ideal, denn er befindet sich unmittelbar am Waldrand. Ein kleine Grube wurde dort vorbereitet, und auch Bambusstäbe als späteres Innen-Gerüst lagen bereit. Mit Schaufel und Müllsack

Schließlich ist der Tag des Umzugs gekommen, und der Experte Taubert sowie seine ebenfalls fachberechtige Frau Brigitte schreiten zur Tat, wobei sie von Ute Ammelounx und Karl Franzen unterstützt werden. Der Ameisenhaufen an der Franzenheimer Straße beherbergt zwar rund 200 000 Tiere, doch die Mittel zur Umsiedlung des Volkes sind einfach: mehrere Schaufeln, eine Rolle handelsüblicher blauer Müllsäcke und ein PKW-Anhänger. Mit den Schaufeln wird dann der Bau vorsichtig zerlegt und Stück für Stück mitsamt den gerade anwesenden Bewohnern - darunter auch zahlreiche Königinnen - in die Säcke gefüllt. Tausende "Außendienstler", die draußen auf Tour sind, bleiben zunächst zurück. Sie versammeln sich später an ihrer ehemaligen Heimstatt und können dort am Abend ebenfalls abgeholt werden. Im Naturgarten an der St.-Johannes-Straße, am neuen Standort, wird der Inhalt der Säcke vorsichtig wieder zu einem neuen Ameisenhaufen aufgeschichtet, verstärkt mit einigen Bambusstäben. Der Experte schätzt, dass sich die Tiere in einer Woche wieder "richtig häuslich eingerichtet haben". Die Aktion in Pluwig hat übrigens Seltenheitswert. Ralf Taubert erklärt: "So eine Umsiedlung ist immer das letzte Mittel und kommt meist nur einmal im Jahr vor. Zum Glück!"

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