Sattel statt Klassenzimmer

ENSCH. Eine Zwischenstation hat Kerstin Hartwig aus Bönen bei Essen im Reitparadies Lörscher am Golfplatz gemacht. Die 25-Jährige mutet sich einen 2500 Kilometer langen (Pilger-) Ritt bis nach Santiago de Compostela zu.

Seit etwa zweieinhalb Wochen ist Kerstin Hartwig mit ihrem Haflinger Poldi und dem Welsh-Pony Santiago, dem Packpferd, nun schon unterwegs. "Bis August will ich in Finisterre, einem kleinen Ort bei Santiago de Compostela, gewesen sein und vielleicht auch schon einen Teil des Rückweges hinter mir haben", erzählt sie.Das Packpferd hat sie bewusst nach ihrem Traumziel benannt. Ehe die Lehrerin nach den Sommerferien in ihren Beruf einsteigen will, gönnt sie sich noch einmal einen solchen Gewaltritt. Ähnliche Wanderreiten hat sie schon absolviert. "Aber das waren dann maximal drei Wochen", erklärt sie.Angst und Langeweile kennt sie nicht: "Überall sind Menschen, und mit jedem Schritt meiner Pferde ändert sich die Landschaft." Nach ihrem Ritt durch die Eifel kam sie mit zweitägiger Verspätung in Ensch an. Der weitere Weg wird sie über Trier und Wincheringen durch Frankreich nach Spanien führen. Ihr Ziel ist Santiago de Compostela, das Grab des Apostels Jakobus. Als Pilgerstätte gilt es als Kulturdenkmal der Menschheit. Unzählige Menschen haben seit dem Mittelalter den Weg dorthin als Weg zu Gott oder als Weg zu sich selbst betrachtet. Auf der Jacke der Reiterin ist der Spruch eingestickt: "Bis ans Ende der Welt und wieder zurück."Ein Traum geht in Erfüllung

Dies hat Hintergrund. Denn Santiago de Compostela liegt am Ende der Welt, so zumindest der Glaube im Mittelalter. Die Idee, vom Ruhrgebiet mit dem Pferd auf alten Jakobspfaden bis zum westlichsten Punkt des europäischen Festlandes zu folgen, spukte der begeisterten Reiterin schon immer im Kopf herum.Nach Beendigung des Referendariats für das Lehramt Primarstufe erfüllt sie sich diesen Traum. Ein halbes Jahr lang verlässt sie die heimischen Gefilde. Hartwig: "Ich tausche das Klassenzimmer gegen einen Pferdesattel und das feste Dach über dem Kopf gegen ein Abenteuer auf Zeit."Bis an die Mosel funktionierte alles bestens. Sie schlief sogar jede Nacht in einem Bett, weil sie von Reiterhof zu Reiterhof "weitergereicht" wurde. "Man glaubt ja überhaupt nicht wie gastfreundlich die Menschen sind. Ab Frankreich werde ich dann wohl auf mein Zelt zurückgreifen müssen", glaubt sie. Wenn sie die Grenzstadt zu Spanien, St. Jean-Pied-de-Port, erreicht hat, liegen noch 780 Kilometer vor ihr. Dort beginnt dann der berühmte "Camino francés", der "französische Weg". Diese über 1000 Jahre alte Pilgerstrecke führt nach Santiago de Compostela, neben Jerusalem und Rom der bedeutendste Pilgerort des Mittelalters.Am frühen Morgen bereitet die Pilgerin ihre Pferde vor. Rund eine Stunde benötigt sie, bis die Tiere gebürstet und gesattelt sind. Dann hängt sie Pony Santiago die Lasten an. "Rund 25 Kilogramm Gepäck muss es tragen", erklärt sie. Neben den persönlichen Sachen werden das Zelt, ein Weidezaun und eine Küche im Kleinformat verstaut. Hartwig: "Viele träumen diesen Traum, ich mache ihn für mich persönlich wahr."cb

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort