Schafe und Ziegen statt Weinlaub

KENN. "Es ist fünf vor zwölf", meinten engagierte Kenner Bürger mit Blick auf die Weinbergsbrachen oberhalb des Dorfes. Um Schlimmeres zu verhindern, gründeten sie einen Verein für die Landschaftpflege rund um Kenn.

Wer öfter entlang der Mosel und ihren Nebenflüssen unterwegs ist, der kennt diesen Anblick: An den Hängen noch grüne Rebflächen, doch daneben und oberhalb aufgegebene Weinberge - verwildert und mit Gestrüpp überwachsen, wie traurige Symbole für den Niedergang des Moselweinanbaus. Die einstige Kulturlandschaft fällt zurück in einen ungewollten Urzustand und bildet ein optisches Gefälle zu den noch bewirtschafteten Flächen. Auch gebietsfremde Flora macht sich auf den Brachen breit - schlimmstenfalls der aus dem Osten "eingewanderte", giftige und dominante Bärenklau.Den Verfall seit Jahren vor Augen gehabt

Der Wahl-Kenner Rainer Müller - "ich zog vor 18 Jahren hierher und habe den Verfall auf den Weinbergen ständig vor Augen" - wollte dies nicht länger hinnehmen. Wie er dachten noch 19 weitere Dorfbewohner, weshalb sie den Verein "Weinkulturort Kenn - Tor zur römischen Weinstraße" gründeten. Vorsitzender ist Rainer Müller, mit im Vorstand sind Hedi Herrig und Hans Jonas. Auf den ersten Blick sieht das nach einem typischen Heimat- und Verkehrsverein aus, doch der Eindruck täuscht. "Unser vorrangiges Ziel ist der Erhalt der Weinkulturlandschaft rund um Kenn", erklärt Müller und weist aus dem Fenster. Dort ist das Problem erkennbar: Ein aufgegebener Weinberg, inzwischen über und über von wilden Brombeeren überwuchert. Müller: "Dies sieht auch der Tourist unten von der Autobahn aus, wenn er das als ,Tor zur römischen Weinstraße‘ bezeichnete Kenn passiert. Wir müssen unser moseltypisches Bild erhalten." Doch die Heckenlandschaft dürfte sich bald weiter ausdehnen. Vor einigen Jahren bewirtschafteten noch 16 Winzer aus Kenn rund 30 Hektar Anbaufläche. Heute gibt es nur noch zwölf Weinbaubetriebe im Ort, und die Rebfläche ist auf 20 Hektar zurückgegangen. Weitere Reduzierungen sind nicht auszuschließen. Geht es nach dem Verein, soll damit in nicht allzu ferner Zukunft Schluss sein. Darauf verweist auch sein Satzungszweck: Erhaltung der Weinlandschaft und Unterstützung der heimischen Winzerschaft. Konkrete Gestaltung des Ortsbildes und Mitwirkung bei örtlichen Satzungen. Belebung von heimischen Einrichtungen und Anlagen.Streuobst auf den flachen Parzellen

Dem Verein ist bewusst, dass er im wörtlichen wie übertragenen Sinne "vor einem Berg" steht. Müller: "Das sind keine Vorhaben, die sich kurzfristig verwirklichen lassen. Da sind noch ein paar dicke Bretter zu bohren. Dabei wollen wir nicht selbst wirtschaftlich eingreifen, sondern Ideengeber und Moderator sein." Unterstützung erhalte der Verein bereits durch die örtlichen Winzer. Die Resonanz auf den ersten öffentlichen Auftritt beim Weinmarkt in Schweich sei groß gewesen. Inzwischen liegen auch schon Pläne auf den Tisch, um die Verwilderung der Kulturlandschaft nach notwendigen Flächenstilllegungen zu verhindern. In den flacheren Bereichen empfiehlt der Verein die Anpflanzung von Streuobstbäumen, an steilen Hängen nutzbare Beerensträucher. Besonders setzen die Kenner aber auf Schafe und Ziegen als "vierbeinige Mitarbeiter" in umzäunten Parzellen. Diese Tiere sind auch im steilen Gelände in der Lage, die Vegetation auf natürliche Weise kurz zu halten. Müller: "Zäune und Tiere werden nicht dem Verein, sondern einzelnen Mitgliedern und weiteren Interessenten gehören. Die Beweidung von Brachland ist sehr effektiv und erfordert wenig Aufwand." Gedacht sei an eine möglichst "pflegeleichte" Schafrasse, die nicht geschoren werden muss. Betreut würden die Tiere später vermutlich von einem Landwirt im Ruhestand, der schon Interesse an der Mitarbeit gezeigt habe. Als Finanzierungsmöglichkeit sieht Müller Fördermittel des Landes, die Eigentümer und Pächter für die Pflege ihrer Flächen beantragen können. Außerdem hofft der Verein auf Sponsoren.

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