Schicksalhafte Begegnung

KLÜSSERATH. (ae) Ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte führte zwei Männer auf freundschaftliche Weise zusammen. Kazimierz Salamon aus Polen und Oswald Welter aus Klüsserath lernten sich 1942 kennen und trafen sich vergangene Woche zum ersten Mal wieder.

Zwölf Jahre alt war Salamon, als er zusammen mit seiner zur Zwangsarbeit verpflichteten Mutter in Klüsserath eintraf. Sie hatte im Hofgut Burg Hausarbeiten zu verrichten, er half bei Weinlese und Ernte, versorgte Tiere oder erledigte Botengänge. Als Kind hätte er eigentlich in Polen bleiben können, wollte seine Mutter aber nicht alleine lassen und wurde ihr durch seine schnell erworbenen Deutschkenntnisse zur Stütze. "Wir trafen uns zum ersten Mal", erzählt Oswald Welter, "als Kazimierz' Mutter die Wolle unseres Schafes verspinnen sollte. Da wir etwa gleich alt waren, freundeten wir uns an, und er brachte mir das Schachspiel bei." Der polnische Junge wurde im Ort schnell heimisch. Er war beliebt, half wo er konnte und bekam häufig Trinkgeld zugesteckt. "Wir haben ihm geraten, das Abzeichen des Fremdarbeiters nicht anzulegen. Auf diese Weise konnte er sich frei bewegen", berichtet Welter. Besuche der Märkte in Schweich und Neumagen oder sogar im Kino waren dadurch möglich. "Er war hier gut aufgehoben und wurde freundlich behandelt. Noch heute kennen einige im Ort seinen Namen und haben bereits nach ihm gefragt. Vor allem Frauen." Da schmunzelt Salamon und zieht Fotos aus der Tasche, die er seit 62 Jahren aufbewahrt. Liebe Grüße zum Andenken an seine ehemalige Auftraggeberin und ihre Tochter sind darauf verewigt, aber auch historische Ansichten des Moseltals. "Ich wollte hier nicht weg", sagt er. "Ich liebe die Mosel." Weg musste er doch, denn als das Kriegsende nahte, begannen die Deutschen damit, Deserteure und Zwangsarbeiter zu eliminieren.Klüsserather blieben menschlich

Um ihn vor einem solchen Schicksal zu bewahren, schickten ihn seine Klüsserather Freunde nach Hause. In Neumagen beschloss er umzukehren. Noch vier Wochen wurde er in einem Stall verborgen und versorgt, bevor die Amerikaner ihn und seine Mutter bei ihrem Einmarsch am 7. März 1945 in eine Kaserne nach Trier-Feyen verlegten. "Die Amerikaner hatten Anweisung erhalten, die Klüsserather wegen ihres menschlichen Verhaltens gut zu behandeln", erzählt Welter. Salamon holte in sechs Monaten Kaserne das Wissen dreier Schuljahre auf und ging dann nach Polen zurück. 40 Jahre lang fuhr er zur See, dann wendete er sich 1987 wegen einer Rentenbescheinigung an den damaligen Bürgermeister von Klüsserath - Oswald Welter. Dieser erinnerte sich sofort an seinen Freund und lud ihn ein. Politische Verhältnisse und Krankheit hielten den Polen jedoch von einem Besuch ab. Stattdessen empfahl er seinen Neffen Krzysztof, der seit dieser Zeit jährlich bei der Traubenlese hilft und so gute Beziehungen zu Welters Tochter und Schwiegersohn entwickelte, dass diese beiden ihn bereits in Polen besuchten. Nun aber war es endlich soweit und Kazimierz hatte Gelegenheit, die Schauplätze seiner Jugend wiederzusehen. "Wir haben das Zimmer in der Burg besucht, das er bewohnt hat. Andere Orte, wie die Mühle und das Sägewerk, gibt es nicht mehr", sagt Welter. Gedolmetscht von seinem Neffen, bekräftigt Salamon, wie froh er über die Auffrischung seiner Erinnerungen an die damalige "Heimat" ist. So geht es auch Oswald Welter, der seinerseits Briefkontakt halten will. Er ist glücklich darüber, einen alten Freund wiedergefunden zu haben.

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