Schumanns wunderbare Poesie

KONZ. Der argentinische Pianist Orlando E. Millaá trat erstmals 1994 im Rahmen der Konzer Sommerakademie im Kloster Karthaus auf. Jetzt kam er mit einem Schumann-Programm wieder.

Doppeltes Pech. Erst verletzt sich Orlando Millaá an der Hand. Dann fängt sich der Argentinier im winterlichen Deutschland noch eine Erkältung ein. Mit der Folge, dass das eigentlich für den 27. Januar geplante Konzert im Kloster Karthaus auf den Februar verschoben werden musste und der Pianist außerdem sichtlich gehandicapt war. Und doch: Musik und Interpretation lohnten den Besuch. Anfangs muss sich Millaá sichtlich mühen

Ein Klavierabend mit einem Schumann-Programm - welch ein Versprechen! Schumanns wunderbar euphorische frühe Klaviermusik, die ganz aus dem Klang des Instruments entwickelt ist und doch alles Nur-Klavieristische phantasievoll übersteigt - welch enorme Aufgabe! Orlando E. Millaá musste sich im Kloster Karthaus sichtlich mühen, um beim "Faschingsschwank aus Wien" op. 26 Schumanns Überschwang zu vermitteln und den technisch hohen Anforderungen gerecht zu werden. Da gerät, was zart versponnen oder hell aufjauchzend klingen sollte, manchmal eng, streng und allzu gedehnt. Und es bedurfte einiger Anläufe, bis sich einstellte, was diese Klaviermusik so einzigartig, so unvergleichlich macht - die phantasievolle Weite der Erfindung, die wortlose und doch enorm aussagestarke Poesie mit den zahlreichen Facetten, von düsterer Trauer bis zu hellster Verzückung. Aber im ersten Satz der "Phantasiestücke" op. 12 klangen schließlich all diese Dimensionen an, und im Mittelteil des vierten Stücks gleichfalls. Und dann, nach der Pause, bewährte sich Orlando E. Millaá an den großen, höchst anspruchsvollen "Symphonischen Etüden" op. 13. Gewiss: Die technisch heiklen Partien, die großen Sprünge, die reichen Mittelstimmen, das dichte Gefüge der Akkordfolgen geraten ihm stellenweise angestrengt. Aber Millaá musiziert sich immer tiefer hinein in diesen großartigen Klavier-Kosmos. Die schwierige fünfte Variation beispielsweise bewältigt er nicht nur mit Bravour - er gibt ihr auch einen passionierten, leidenschaftlich-gespannten Zug mit. Und ins ausgedehnte, ambitionierte und doch nicht erdrückende Finale bringt er beides ein: jubelnde Wucht und feinsinnigen Humor. Die Musik hat Energie und Kraft und bleibt doch frei von aller Erdenschwere. Es ist, also würden ihr Flügel wachsen. Trotz einiger Schwierigkeiten - ein reicher, ein bewegender Abend im Kloster Karthaus. Und zugleich eine wirkungsvolle Werbung für die Sommerakademie, die als Mitveranstalter auftrat und auch in diesem Jahr wieder in Konz stattfinden wird.

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