Sehnsucht nach Liebe

AACH. Für missbrauchte Mädchen, Jugendliche in Konfliktsituationen und Kinder mit psychischen Problemen ist das Jugendhilfezentrum Haus auf dem Wehrborn bei Aach häufig die letzte Möglichkeit, die Herausforderungen des Lebens zu meistern. Aber der Weg in die "Normalität" ist nicht leicht.

 Dokument des Grauens: Auf dieser Collage (Unser Foto zeigt einen Ausschnitt) haben Mädchen, die im Haus auf dem Wehrborn Zuflucht gefunden haben, ihre Vergangenheit und ihre Wünsche für das zukünftige Leben in Wort und Bild festgehalten.Foto: Hans Krämer

Dokument des Grauens: Auf dieser Collage (Unser Foto zeigt einen Ausschnitt) haben Mädchen, die im Haus auf dem Wehrborn Zuflucht gefunden haben, ihre Vergangenheit und ihre Wünsche für das zukünftige Leben in Wort und Bild festgehalten.Foto: Hans Krämer

Unweigerlich bleibt der Blick an dem ein mal zwei Meter großen Bild in dem grob gezimmerten Holzrahmen hängen. Was dar-auf in Zeichnungen und Worten festgehalten wurde, lässt erschaudern. Es sind Zeugnisse der kaum vorstellbaren Vergangenheit vieler Mädchen, die in der einsam gelegenen Jugendhilfeeinrichtung auf dem Wehrborn eine Zuflucht gefunden haben. Die Bilder und Texte berichten von körperlicher und psychischer Gewalt, von Vergewaltigung und von der Sehnsucht nach Liebe."Wir sind häufig die letzte Instanz", sagt Verwaltungsleiter Heinrich Adam. "Die Mädchen, die hierher kommen, haben oft schon acht oder neun Heimunterbringungen hinter sich. Wir weisen niemanden ab."77 Plätze für Jugendliche aus ganz Deutschland

13 bis 21 Jahre alt sind die Jugendlichen und jungen Frauen, die hier Hilfe suchen. 77 Plätze stehen in dem weitläufigen Areal am Tor zur Eifel zur Verfügung, nur 20 Prozent davon sind von Jungen belegt. Träger ist die Caritas-Trägergesellschaft Trier (CTT). "Wir werden sehr von den Jugendämtern nachgefragt", versichert Adam. "Die Jugendlichen kommen aus ganz Deutschland."Die Hilfesuchenden lassen sich in zwei Gruppen unterscheiden: Jugendliche für die sozialtherapeutische Arbeit, die in der Regel Gewalt in allen Formen erlebt haben. Sie neigen oft selbst zur Gewalt, gegen Dinge oder gegen sich selbst.Die zweite Gruppe besteht aus jungen Menschen mit psychischen Problemen. Autismus ist hier beispielsweise ein Thema.Viele der Jugendlichen haben auf der Straße gelebt, bevor sie in das Haus auf dem Wehrborn gebracht wurden. Adam: "Die müssen erst einmal so einfache Dinge wie Körperpflege oder die Fähigkeit zum Lernen wieder erlangen." Dies geschieht in der Intensivbetreuung in Wohngruppen. Zehn Jugendliche und acht Betreuer leben in einem eigenen Haus Tag und Nacht zusammen. Bewusst wird dort ein familiäres Umfeld geschaffen, das die Mädchen vielleicht zuvor nie erlebt haben.Sind gewisse Anforderungen erfüllt, darf die junge Frau in eine Regelgruppe umziehen. Es folgen die "Verselbstständigungsgruppe" und, am Ende, die Wohnung in der Stadt. Nur sporadisch schaut dort noch einer der 120 Mitarbeiter des Wehrborns nach dem Rechten.Bis die Jugendlichen soweit sind, ihr Leben wieder selbstständig in die Hand zu nehmen, vergehen manchmal allerdings fünf Jahre. Vor allem am Anfang laufen viele wieder davon, bevor sie die Möglichkeit erkennen, die ihnen dort geboten wird.Denn wie umfassend und intensiv die Hilfestellungen sind, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Neben der intensiven psychologischen und pädagogischen Betreuung gibt es eine heiminterne Hauptschule mit Kleinstklassen. Berufsausbildungen im geschützten Rahmen bietet der hauswirt-schaftliche Bereich. Für die Freizeitgestaltung stehen eine Turnhalle und ein Hallenbad zur Verfügung.Eine speziell geschulte Pädagogin kümmert sich darum, an den Nachmittagen und Abenden ein sinnvolles Programmangebot zu machen. Auch das soll das Selbstwertgefühl der Jugendlichen stärken. "Die meisten sind zwar froh, wenn sie ein- oder zweimal im Monat am Wochenende nach Hause fahren dürfen", sagt Gabi Dudenhöffer. "Sie fühlen sich hier dennoch geborgen."Die "Wochenenden daheim" werden gewährt, auch wenn sie nicht immer im Sinne der Therapeuten sind, vor allem, wenn es in der Familie in der Vergangenheit zu sexuellen Übergriffen oder anderen Formen der Gewalt gekommen war. Heinrich Adam: "Die Liebe der Kinder zu den Eltern hört nicht auf, was auch immer passiert ist. Bei uns lernen die Jugendlichen, auch ohne Gegenleistung geliebt zu werden."Als besonders störend empfinden die Jugendlichen die Abgeschiedenheit der Einrichtung nach Aussage der Heimleitung nicht. Regelmäßig gebe es die Möglichkeiten zu Besuchen in Trier. Über Vereine in den Nachbarorten sei auch der Kontakt zur Bevölkerung hergestellt. Der Kindergarten mit 150 Plätzen und die Kirche auf dem Wehrborn sorgen im Gegenzug dafür, dass Berührungsängste nicht zu groß werden.Gewalt und sexueller Missbrauch ­ die große Collage an der Wand der Schule verursacht Entsetzen. Doch die meisten Bilder in den weitläufigen Fluren des Hauses auf dem Wehrborn machen Mut. Sie zeigen junge Frauen und Männer, die wieder Selbstvertrauen gefunden haben. "Vielen Dank! Euer Haus ist unser Haus" oder "Ora et labora et relaxa! Danke!" Bunt gestaltete Abschiedsgrüße wie diese helfen auch den Mitarbei-tern, ihre schwierige Aufgabe zu erfüllen.Haus auf dem Wehrborn,54298 Aach bei TrierTelefon 0651/82440 www.wehrborn.de

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