Selbstständigkeit fördern

SAARBURG. Handwerksgesellen, die auf der Durchreise waren, fanden hier einst einen Unterschlupf für die Nacht. Diejenigen, die heute das Gebäude unweit des Rathauses beziehen, bleiben meist länger - oft ein Leben lang. Das Saarburger Gesellenhaus ist im Besitz der Lebenshilfe und bietet rund 30 körperlich und geistig behinderten Menschen ein Zuhause. Und das schon seit zehn Jahren.

Etwa 300 Gäste und Ehrengäste, darunter Kreisbeigeordneter Manfred Wischnewski und Lebenshilfe-Geschäftsführer Alfred Gerardy, waren zu einer Geburtstagsfeier in die Stadthalle gekommen. Michael Kutscheid, Vorsitzender der Lebenshilfe-Kreisvereinigung, unterstrich in seinem Grußwort: "Die vergangenen zehn Jahre waren eigentlich keine lange, aber im Hinblick auf unsere Arbeit eine erfüllte Zeit." Die Arbeit mit behinderten Menschen sei zwar nicht immer einfach, aber dennoch schön.Morgens zur Arbeit, abends nach Hause

Ziel der Arbeit der Pädagogen und Hauswirtschaftskräfte, die für die Betreuung der rund 30 Bewohner verantwortlich sind, ist die Förderung von Selbstständigkeit durch Erlernen der zum Leben notwendigen Fähigkeiten. Neben dem Führen des Haushaltes gehören dazu der Umgang mit Geld, Körper- und Kleiderpflege sowie das Verhalten im Straßenverkehr. "Schließlich bedeutet eine geistige Behinderung nicht zwangsläufig, dass der Betroffene ohne fremde Hilfe nicht leben kann", erklärte Ulrich Fink, Leiter des Gesellenhauses. Behördengänge, Einkaufen und der Gang zum Arzt seien Dinge, die der Einzelne in eigener Verantwortung erledigen könne. Doch damit sind die 24 Stunden eines Tages nicht ausgefüllt. Jeder der 30 Männer und Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren geht einer geregelten Arbeit im Hofgut Serrig oder in einer Trierer Lebenshilfe-Werkstatt nach und ist damit in der Lage, für einen Teil seines Lebensunterhaltes selber aufzukommen.Der Tag im Gesellenhaus unterscheidet sich kaum von dem einer "ganz normalen" Wohngemeinschaft. Morgens fährt man zur Arbeit, kommt abends nach Hause und macht noch die eine oder andere Besorgung in der Stadt. Dann beginnt der Feierabend. Die Freizeitmöglichkeiten sind vielfältig. Dazu trägt auch die zentrale Lage des Gebäudes bei. Das Hallenbad, der Sportpark und die Stadthalle befinden sich "um die Ecke". Zudem bietet ein begrünter Innenhof im Haus den Bewohnern Gelegenheit zum Ausspannen. Wer es vorzieht, alleine zu sein, kann sich dazu in sein Zimmer auf einer der drei Wohnetagen zurückziehen.Drei Außenwohngruppen

Dem Gesellenhaus sind drei so genannte Außenwohngruppen angegliedert - zwei befinden sich im Stadtgebiet von Saarburg, eine in Longuich. Sie bieten bis zu vier Personen die Möglichkeit, in einer familienähnlichen Gemeinschaft zusammenzuleben. Im Gegensatz zum Gesellenhaus werden die Mitglieder einer Wohngruppe nur zeitweise betreut. "Diese Form des Wohnens trägt in besonderer Weise zu Verselbstständigung unserer Schützlinge bei", erläuterte Ulrich Fink. Deshalb hoffe er, im kommenden Jahr eine weitere Außenwohngruppe in Saarburg eröffnen zu können. "Menschen, die in einer Gemeinschaft leben, lernen und arbeiten können, sind glückliche Menschen", betonte Kutscheid. Was körperlich und geistig Behinderte von "normalen" Menschen unterscheide, sei ihre Behinderung. Aber genau das sei eigentlich normal. So lautet auch das Lebensmotto der Bewohner des Gesellenhauses: "Es ist normal, verschieden zu sein."

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